Coronaflucht Herbst 2021 wieder Richtung Süden
Die Hinfahrt …
In Luxemburg lernen wir – kaum angekommen – den Steinhändler Markus kennen und diskutieren mit diesem interessante Aspekte wie die Fragen vom Impfen, von Impfstoffen, Impfempfehlungen und Impfdurchbrüchen sowie Kochsalzplaceboimpfungen – wahrhaft spannende Themen in diesen mehr als verqueren Zeiten … Das kleine Luxemburg kann tatsächlich schon einen ersten Eindruck von “Bergen” vermitteln: Die Fahrt geht hoch und runter sowie kreuz und quer, bis wir nach seiner Einladung später endlich auch in dessen Werkstatt ankommen.
Weiter geht es schließlich erst am nächsten Morgen: Von Belgien bis nach Frankreich sind nirgendwo irgendwelche Kontrollen festzustellen und man kann tatsächlich in aller Ruhe durchfahren – ein Gefühl von “Easy Rider” kann selbst heute noch aufkommen …
Wegen einer abgesperrten Autobahn müssen wir abends im Dunklen mehrfach im Kreis fahren, völlig sinnlos und lange dauernd, bis wir schließlich wieder an der Absperrung vorbeikommen, wo immer noch die Feuerwehr die Straßensperre sichert. Nach unserer Frage, wie man denn nun nach La Rochelle kommen kann, überlegen sie lange, erklären uns etwas von weißen Straßen und so weiter. Als schließlich klar wird, dass das alles für uns viel zu kompliziert ist, heben sie zu guter Letzt ihre Absperrung auf und winken uns durch: Warum die Autobahn eigentlich gesperrt ist, wird für uns bei der Weiterfahrt in keiner Weise erkennbar …
Bei La Rochelle wird die nächste Übernachtung eingelegt: In einer kleinen verlassenen Austernverkaufsstelle einige Drinks genommen, am toten stillen Atlantik entlangspaziert, es ist halt November …
Am nächsten Morgen geht es dann – noch etwas “angebreitet” vom langen Abend – wieder volles Rohr über die Autobahnen mit 180 – 200 km/h – Kurs Richtung Spanien …
Auch in Spanien keinerlei Kontrollen, kaum Polizei zu sehen, der Vorteil gegenüber Frankreich ist vor allem, dass es nicht unzählige Mautstellen gibt, an denen andauernd irgendwelche Summen für die Nutzung der Autobahn zu zahlen sind. Am Spätnachmittag wird dann an einer Tankstelle angehalten, eine Tortilla gegessen – ein Biss in die spanische Traditionalität! Die Preise sind erstaunlich moderat, die Tortilla für 2,50 Euro und eine Dose Bier an der Tankstelle für gerade mal 69 Cent – Pfand ist dabei nicht fällig.
Rund 50 km hinter der portugiesischen Grenze verlassen wir die Autobahn, um über die Berge zu dem Ort zu fahren, an welchem unser Freund wohnt. Geschickter Weise haben wir uns den kürzesten Weg über die längsten Berge ausgesucht: Mit durchschnittlich 30 km/h kreiseln wir drei Stunden durch die Serra da Estrela …
Im Dunkeln überholen uns noch vier Wildschweine und die Orientierung wird immer mühsamer: Das Internet verschwindet, Karte und Ortsnamen stimmen nicht mehr überein, so dass wir schließlich an einer Kreuzung auf der Bergkuppe etwas ratlos haltmachen: Wir stehen um unser leuchtendes Auto herum, studieren die Schilder und Wolle versucht noch mal, seinen Sohn anzurufen, der hier irgendwo in der Gegend wohnt.
Diesmal gelingt tatsächlich der Anruf und sein Sohn meint, ob wir das da oben auf der Bergkuppe wären, die mit dem Licht? Er würde jetzt mit der Taschenlampe leuchten, dann könnten wir sehen, wo er wohnt. Tatsächlich sehen wir nun ein Licht auf der anderen Seite des Berges und bitten seinen Sohn, uns doch besser abzuholen. Man denkt natürlich, das könne nur ein paar Minuten dauern, aber das erweist sich als Irrglaube: Erst nach etwa 20 Minuten taucht er auf und geleitet uns in das kleine Bergdorf …
Aussteiger in der Serra da Estrela
Der Sohn von Wolle hat noch ein altes Motorrad (Kawasaki 250, 1980er Jahre Straßenmaschine) im Holzschuppen stehen, das die Vermieterin ihm als Schenkung überlassen hat. Da ich mich als alter Mechaniker gut mit der Retrotechnik auskenne, ziehen wir es aus dem Schuppen und stellen fest, dass es komplett ist: Ein paar Stunden später, nachdem ich das Schloss wegen fehlendem Schlüssel zerlegt und außerdem Tank sowie Vergaser gesäubert habe, schnalle ich eine Autobatterie hinten auf – und die Karre fährt tatsächlich gleich los zu unser aller Erstaunen ..!
Den ersten Esel in den Bergen sehen wir später: Ein ziemlich großes Tier. Auch viele Aussteiger befinden sich hier in den Bergen, darunter auch einige Deutsche. Einer von ihnen, Thomas, macht einen ganz schön schwachen Eindruck: Er meint “Long COVID” und seit der Impfung sei er völlig schlapp und kraftlos …
Aussteiger in der Serra da Estrela Der Sohn von Wolle hat noch ein altes Motorrad (Kawasaki 250, 1980er Jahre Straßenmaschine) im Holzschuppen stehen, das die Vermieterin ihm als Schenkung überlassen hat. Da ich mich als alter Mechaniker gut mit der Retrotechnik auskenne, ziehen wir es aus dem Schuppen und stellen fest, dass es komplett ist: Ein paar Stunden später, nachdem ich das Schloss wegen fehlendem Schlüssel zerlegt und außerdem Tank sowie Vergaser gesäubert habe, schnalle ich eine Autobatterie hinten auf – und die Karre fährt tatsächlich gleich los zu unser aller Erstaunen ..! Den ersten Esel in den Bergen sehen wir später: Ein ziemlich großes Tier. Auch viele Aussteiger befinden sich hier in den Bergen, darunter auch einige Deutsche. Einer von ihnen, Thomas, macht einen ganz schön schwachen Eindruck: Er meint “Long COVID” und seit der Impfung sei er völlig schlapp und kraftlos … Rupert, ein anderer Aussteiger, lebt in seiner kleinen, selbst gebastelten Hütte ohne Strom. Er wollte vor Jahrzehnten mit seinem Nachbarn Thomas eine kleine gemeinschaftliche Kolonie gründen, aber Thomas hat sich mit mehr Geld die wichtigsten Immobilien selbst gekauft und auch nur selbst genutzt, zumindest so weit er dazu in der Lage war oder noch ist … Die spätere Fahrt nach Figueira da Foz ans Meer ist einerseits entspannend, endlich mal raus aus den Bergen, andererseits zeigt das Meer mal wieder seine unberechenbare Stärke. Bei 15°C Wassertemperatur ist das Schwimmen zwar möglich, aber nicht besonders angenehm, zumal die Atlantikwellen mit etwa drei Meter Durchschnittshöhe nicht leicht zu handhaben sind. Auf dem Weg hinaus aus der kühlen Erfrischung überholt uns eine ungewöhnlich starke Welle: Obwohl wir unsere Sachen relativ hoch gepackt haben in der Annahme, dass bald wieder Ebbe folgt, erwischt die kurze Flut unsere kompletten Sachen und will sie ins Meer reißen. Jedoch ein schneller Sprint und geschickte Würfe retten unsere Klamotten mitsamt Kleingeld, Portemonnaie und Autoschlüssel vor dem Verschwinden … Die Temperatur erreicht am Nachmittag noch 23°C, später suchen wir eine Imbissmöglichkeit in der Stadt. Aber entweder ist das nächste Restaurant geschlossen oder am Yachthafen besonders teuer, so dass wir uns dann schließlich für eine Snackbar entscheiden: Wir bestellen drei Kebab und einen Hamburger sowie ein paar kühle Biere, auf den Tisch kommt später ein schleimiger Fleischbrei mit viel Mayonnaise, umwickelt von einem unausgegorenen bleichen Teiglappen. Um den runter zu kriegen, schütten wir noch ein paar Halbe hinterher … Wolle hat seinen Kebab fast aufgegessen, als er einen kleinen Glassplitter in dem Rest findet. Ich habe bereits nach Dreiviertel des Schleimbreis aufgegeben und gehe mit meinem Teller und dem Glassplitter zum Chef, der aussieht wie ein alter, abgehalfteter Lude, um mich an Wolfgangs Stelle darüber zu beschweren. Er bietet mir einen neuen Kebab an, welchen ich allerdings dankend ablehne. Immerhin berechnet der Chef fairerweise dann auf der Rechnung nur zwei Kebab, auch die halben Liter Bier sind noch relativ günstig mit 2,20 Euro. Die schlammigen Teiglappen kosten 4,50 Euro … Die Rückfahrt in die Berge mit einigen Drinks am Hals und ein paar Kippen verläuft locker und entspannt, immer ohne Maut zu zahlen auf der linken Spur, die eigentlich für die portugiesischen Einwohner freigehalten wird … Der Treffpunkt vieler Auswanderer und Aussteiger ist der allwöchentliche Markt am Donnerstag in Arganil, wo es neben einigen heimischen Produkten auch gegrilltes Spanferkel gibt. Ein paar Tage später sind wir zu einer Geburtstagsfeier eingeladen von Rupert, dem Althippie in dem kleinen Dorf, fast auf der Spitze des Berges, Almeida Velha. Dort sind fast alle Hippies der Bergregion versammelt, viele von ihnen sind früher mal in Indien gewesen, in Goa. Sie haben sich jetzt nach Portugal in die Berge zurückgezogen, mehr oder minder erfolgreich, meist auf “kleiner Flamme”: Zum Beispiel wohnen sie in Wohnwagen oder alten Bussen, die sich nicht mehr bewegen, oder aber in kleinen, halb zerfallenen Hütten. Geraucht wird hier fleißig, der eigene Anbau ist ein beliebtes Hobby. Was sie alle eint, ist die kritische bis negierende Einstellung zur Corona Show … Thomas berichtet aus der Zeit in den 1980er Jahren, wo er als einer der ersten Siedler in die Berge gekommen war. Besonders das Bergdorf, in dessen Kulturhaus wir feiern, war damals eine ganz andere Welt: Jedes alte Häuschen hatte einen kleinen Weinkeller, wo selbstgebastelte alkoholische Getränke gelagert wurden. Thomas erinnert sich, dort oben oft gewesen zu sein, die Menschen waren damals unglaublich gastfreundlich und luden ihn in jeden Keller ein, um dort ein Gläschen zu nehmen und ein wenig zu plaudern. Damals hatte er einen kleinen Mercedes Unimog, mit dem er Holz aus den Bergen holte und die umliegenden Dörfer besuchte. Der hatte auch ein “Kriechgetriebe” und so konnte er halbwegs gefahrlos von dem hohen Bergdorf im ersten Gang wieder nach Hause zurückkriechen … Rupert erzählt, wie er in den 1980er Jahren noch keinen Weg zu seinem Haus hatte, der befahrbar war. Es gab nur einen Pfad, wo man hintereinander gehen konnte, aber nicht nebeneinander. Warum er denn keinen Esel genutzt habe, ist meine Frage. Einmal habe er es versucht mit einem Esel, aber der wäre ihm nach kurzer Zeit abgestürzt … Im kleinen Bergdorf, in dem ich mich zur Zeit aufhalte, stehen jede Menge kurze, schrappelige Olivenbäume mit nicht allzu vielen Oliven, von denen etliche angeknabbert oder nicht richtig ausgewachsen sind. Etwa um das Jahr 1984 wurde ich damals im Herbst auf Ithaka von drei alten, schwarz gekleideten Frauen eingeladen, gegen Kost und Logis und etwas Taschengeld die Olivenernte mitzumachen. Aus verschiedenen Gründen habe ich es damals unterlassen. Heute, im Herbst 2021, habe ich nun zum ersten Mal den Versuch unternommen, Oliven zu ernten: Das Ergebnis war eine halb gefüllte Plastiktüte. Nach einigen Tagen wollen wir weiter ernten und stellen fest, dass die schon gesammelten Oliven in der Plastiktüte verschimmelt sind. Permanenter Schiefstand, das ist hier die Lage ..! Ein Tag in Coimbra … Die älteste europäische Universität ist angeblich in der kleinen Stadt gegründet worden, die rund 16 km von der antiken Römerstadt Conimbriga entfernt ist, von der sie den Namen hat. Ich vermutete, dass hier die Buchkultur besonders entwickelt sein müsste und in Folge auch einige Antiquariate die Stadtkultur beleben würden.Mühsam klettern wir den Berg zur Unibibliothek hinauf … Doch schon auf dem Weg wird mir klar, dass in Anbetracht all der Boutiquen und anderer Tourismusstände die Buchkultur wohl doch eher weitgehend verschwunden ist. Ein linker Studentenverband hat ein Haus mal etwas anders herausgeputzt. Ein paar armselige Stände mit gebrauchten Büchern kleben dennoch zwischen den Hauswänden. In der unteren Stadt sind viele Geschäfte für immer geschlossen, immerhin finde ich noch einen Antiquitätenhändler, der mir gleich auf alle Bücher 50% anbietet, unter anderem habe ich bei ihm einen kleinen bulgarischen Reiseführer entdeckt. In einer Bar am Berg wird haltgemacht, die Biermengen sind wie in Belgien auch in Portugal minimalisiert, aber ich will unbedingt eine Halbe schlürfen. Imperial nennt man ein so großes Bier, was dennoch nicht einer Halben entspricht, sondern nur 0,4 l. Das Glas will ich mitnehmen, aber die Bedienung versteht nicht richtig, was ich meine und bietet mir einen Plastikbecher an. Ich zeige mit dem Glas auf den Boden und deute mit den Händen die Bezahlmöglichkeit an. Dann zahle ich erst einmal die zwei Bier, 6 Euro und noch was, und gebe ihr 10 Euro, zeige auf das Glas und stecke es ein. Nun versteht sie, muss lachen und gibt mir ein neues, sauberes Glas zum Mitnehmen. In einem kleinen Verkaufsladen, wo ich mal so nebenbei reinschnuppere, entdecke ich ein paar Flaschen mit gut gekühltem Weißwein – das wäre ja was nach der Bergwanderung! Ich frage nach dem Preis und man nennt mir 1,05 Euro für eine 0,7l Flasche – so billig habe ich noch nie Wein gekauft! Also heißt es gleich die drei Flaschen mitnehmen, die noch da sind, 10,5% Alc. und super fruchtiger, sprudelnder Geschmack … Auf der Rückfahrt in die Berge ist noch eine Stärkung in einer Raststätte fällig, ein Thunfischsandwich ohne Thunfisch, nur mit einer schleimigen mayonesigen Paste gefüllt. Ein paar Arbeiter kommen rein und kippen schnell einige kleine Gläser Weißwein … |
Der Süden Portugals
Nach zwei Wochen verlassen wir endlich die Berge, es geht runter ans Meer und entlang der Küste der Algarve, den Regen im Nacken, immer weiter Richtung Süden.
Unser Ziel ist Vila Nova de Milfontes, eine Stadt am Meer, wegen drohendem Regen habe ich mein Zelt unter einer Treppe aufgebaut, was sich als Scheißidee entpuppt, denn ich rutsche in der Nacht halb raus aus dem Zelt in Schieflage.
Am nächsten Tag früh aufgewacht und weiter auf die Straße gen Süden, der Regen bleibt noch aus. Unterwegs sieht man große Gemüse- und Obstfarmen, wo alle möglichen Fremdarbeiter für Billiglohn schuften. In einem kleinen Dorf steht eine ältere Fidschifrau mit einer Pulle Bier in der Hand und einer Kippe im Mund, Arbeitersonntag. Am nächsten Morgen dann nach kurzer Fahrt ein Halt in einem kleinen Fischerdorf, es lockt eine herrliche Silhouette und ein nettes Restaurant mit nepalesischer Bedienung …
Der Süden Portugals Nach zwei Wochen verlassen wir endlich die Berge, es geht runter ans Meer und entlang der Küste der Algarve, den Regen im Nacken, immer weiter Richtung Süden. Unser Ziel ist Vila Nova de Milfontes, eine Stadt am Meer, wegen drohendem Regen habe ich mein Zelt unter einer Treppe aufgebaut, was sich als Scheißidee entpuppt, denn ich rutsche in der Nacht halb raus aus dem Zelt in Schieflage. Am nächsten Tag früh aufgewacht und weiter auf die Straße gen Süden, der Regen bleibt noch aus. Unterwegs sieht man große Gemüse- und Obstfarmen, wo alle möglichen Fremdarbeiter für Billiglohn schuften. In einem kleinen Dorf steht eine ältere Fidschifrau mit einer Pulle Bier in der Hand und einer Kippe im Mund, Arbeitersonntag. Am nächsten Morgen dann nach kurzer Fahrt ein Halt in einem kleinen Fischerdorf, es lockt eine herrliche Silhouette und ein nettes Restaurant mit nepalesischer Bedienung … Es geht weiter zum südwestlichen Kap von Portugal, Sagres, unweit vom Cabo de São Vicente. Ziemlich touristisch wirkt es, allerdings scheint der schöne Fischerhafen für die Touris ein “NoGo” zu sein. Der Obst- und Gemüseanbau wird im Wesentlichen mittlerweile von Asiaten durchgeführt; wir sehen in einem Dorf an diesem Sonntag viele von ihnen in einer Kneipe sitzen und gemütlich ein Bier trinken, sie lächeln uns freundlich zu … Auf dem Weg zum Kap erreichen wir Odemira, wir schauen uns dort ein interessantes Kunstwerk an, den Blechernen Atlas. Der Tourismus erscheint derzeit insgesamt sehr schwach in Portugal, aber natürlich ist es inzwischen schon annähernd Winter und deshalb kann man hier in der Gegend auch nicht mit vielen Menschen rechnen.Nur unten am Kap Sagres bis ungefähr nach Faro können wir feststellen, dass sich mehr Menschen tummeln … Wieder nach Spanien und eine Fährfahrt … Die Grenze von Portugal nach Spanien ist ebenso unbesetzt und ohne Fragen zu irgendwelchen Corona Zetteln oder Apps oder QR-Codes … Dicht hinter der Grenze erreichen wir den Urlaubsort Isla Cristina, der auf einer Art Halbinsel direkt am Meer liegt. Außer Tourismus gibt es hier nicht allzu viel, lediglich die kleine Bootsschiffahrt scheint zu florieren. Da ich ursprünglich eigentlich nach Marokko fahren wollte, muss ich ein wenig schmunzeln, als ich die Bar “Nuevo Agadir” in diesem Ort entdecke. Später versuchen wir den Hafen von Huelva zu finden, aber die Stadt selber erweist sich als dermaßen verkehrstechnisch unübersichtlich, dass wir fast eine Stunde brauchen, um endlich zum Hafen zu kommen und Erkundigungen einzuziehen über eine Fährpassage nach Teneriffa mit meinem Fahrzeug und uns zwei Personen. Die Frau am Schalter ist ganz nett und informiert uns: Es gibt zwei Fährgesellschaften, welche die Strecke zu den Kanarischen Inseln bedienen, einmal Naviera Armas, eine klassische spanische Reederei und dann Fred. Olsen & Co., eine alteingesessene Firma mit Hauptsitz in Norwegen, die kurioserweise erst in den 1970er Jahren begann, den kleinen Fährverkehr zwischen den Kanarischen Inseln aufzubauen. Heute liegen viele der kleineren Fred. Olsen Schiffe ohne Verwendung im Hafen von San Sebastian, Gomera, da sich zum einen der Tourismus weitgehend weg von den Schiffen auf das Flugzeug verlagert hat und die Coronabeschränkungen ihr übriges taten. Eine Überfahrt von Huelva nach Teneriffa kostet annähernd 500 Euro für ein Fahrzeug und zwei Personen ohne Kabine. Nun, wir wollen unbedingt auf die Kanarischen Inseln, da auch an der spanischen Küste die Temperaturen langsam zu sinken beginnen, also zahlen wir widerwillig den Betrag. Es folgt noch eine Übernachtung auf dem Festland, um am nächsten Tag nachmittags die Reise übers Meer anzutreten. Dazu kaufen wir vorher reichlich Proviant ein, nehmen noch einige Tapas zu uns und begeben uns zur Ablegestelle. Die Überfahrt dauert je nach Verbindung zwischen 31 und 38 Stunden, wir werden gegen 16:00 Uhr ablegen und unser Ziel kurz vor Mitternacht des Folgetages erreichen. Obwohl die Kanarischen Inseln ein fester Bestandteil Spaniens sind, gibt es eine ausführliche Zollkontrolle, wobei man sich besonders für unser Fahrzeug interessiert und wir deshalb rund eine halbe Stunde beschäftigt sind, Gegenstände hin und her zu räumen … Auf der Fähre selbst herrscht anschließend reges Treiben, viele Deutsche, Halbaussteiger, Hippies und andere Querreisende mischen sich nach einigen Stunden, um Gespräche zu beginnen und zusammen etwas zu trinken sowie ein wenig über ihre Pläne zu erzählen. Ich treffe ein Pärchen, das gerade aus Deutschland mit einem improvisierten UPS Wohnmobil zurück nach Gomera fährt, zuvor hatten sie die letzten Jahre auf der Insel in Höhlen oder Zelten verbracht, jetzt beginnt offenbar das kleine Luxusleben … Teneriffa oder Concrete Island? Gegen Mitternacht angekommen in Santa Cruz ist die Frage, wie man einen schönen Platz am Meer finden kann, eher unlösbar: In einer Sackgasse nah am Meer, umgeben von hässlichen Wohnblöcken, treffen wir auf einen jungen Spanier in einem alten Golf 2. Der zeigt uns – nach gewissen Überredungskünsten – den Weg zu einer Übernachtungsstelle, der aber auf einem hässlichen, vollgeschissenen Parkplatz noch in der Hauptstadt Santa Cruz endet. Aber ohne Licht kein Überblick, also ergeben wir uns in eine elende Nacht … Auch am nächsten Tag wirkt Santa Cruz nicht sonderlich einladend, Teile der Stadt zeigen sogar einen gewissen Leerstand und erscheinen dadurch nicht unbedingt belebt. Wir entdecken die großangelegte Autobahn der Insel Teneriffa, dreispurig vollgestopft mit Fahrzeugen ergeben sich fast überall Ansätze zu Staus. Selbst wenn man die Autobahn schließlich auf einer Nebenstraße verlässt, um in einem kleinen Küstenort zu gelangen, gerät man auch dort wieder in erhebliche weitere Staus. Nach den ersten Ortsbesichtigungen wird uns klar, dass wir uns auf einer Beton Insel befinden, wo nicht ohne Grund auch der Begriff Concrete Island auftaucht und wo einsame Plätze zum Übernachten kaum zu finden sind … Für mich erschreckend, befindet sich in der Mitte der Insel auch noch ein Berg, genannt Pico del Teide, mit einer Höhe von mehr als 3.700 Metern der höchste Berg Spaniens mit schneebedecktem Gipfel. Das bedeutet, wenn man auf die andere Seite der Insel fahren will, kann das nicht gelingen, ohne diesen Berg am Rande zu streifen, was mindestens einem Höhenunterschied von über 1.000 Metern entspricht. Mein altes Fahrzeug freut sich über solche Touren weniger und verbraucht dafür umso mehr, denn nur Slalom fahren bei dichtem Bergregen ist nicht so sein ökonomisches Ding. Nach einigen Tagen Inselerkundung wird uns klar: Das hier ist nicht UNSERE Insel. Man kann zwar durchaus ruhige Stellen finden, aber das sind karge Orte fast ohne jegliche Vegetation am Meer … Zufälligerweise steht der “Black Friday” vor der Tür, was noch mehr Verkehrsaufkommen bedeutet und mir kommt die Idee, zurück nach Santa Cruz zu fahren und dort bei der Fährgesellschaft nachzufragen, ob aufgrund des Black Fridays nicht vielleicht auch die Verbindungen zwischen den Inseln ermäßigt sein könnten … Die norwegische Fred. Olsen Gesellschaft verneint sofort, bei Armas hingegen bietet man mir auf meine Anfrage hin einen Rabatt von 50% auf andere Fährverbindungen zwischen den Kanarischen Inseln an. Also kaufen wir ein Ticket von Teneriffa nach Gomera für rund 100 Euro hin und zurück mit einem Fahrzeug und zwei Personen. Die Fähre geht am nächsten Tag von Los Cristianos nach San Sebastian auf Gomera. Wir kaufen noch ein paar Getränke und andere Lebensmittel in einem großen Supermarkt ein, beim Wenden vom Parkplatz lenke ich allerdings so unglücklich gegen einen Bordstein, dass sich die Lenkung später deutlich anders anfühlt, da das Lenkrad nun ungefähr eine Viertelumdrehung verdreht ist … |
Gomera, Althippies, Aussteiger, Drogeninsel …
Während wir in Los Cristianos auf die Abfahrt warten, lerne ich einen sehr aktiven Menschen namens Max, alias Isa kennen, er sieht aus wie der Rattenfänger von Hameln oder wie ein lustiger Hofnarr. Er erzählt uns, dass er auf Gomera zwei alte Wohnbusse besitzt, wovon er einen auch immer zur Übernachtung anbieten würde. Die Überfahrt wird eine der “wellenreichsten”, die ich je erlebt habe – ein wahrhaft herrliches Schwanken und Schaukeln …
Angekommen in der Hauptstadt San Sebastian überrascht uns erst einmal ein großes deutsches “Nicht-mein-Kreuzfahrtschiff” von jemandem, der wie üblich behauptet, es wäre “Seines”. Schon bald können wir aber glücklicherweise feststellen, dass die Insel insgesamt kleiner, weniger belebt und auch weniger befahren ist. Wir machen uns sofort auf den Weg nach Valle Gran Rey, dem touristisch wohl bedeutendsten Ort der Insel auf der gegenüberliegenden Seite. Wieder heißt es also die Berge hoch bis über 1.000 Meter und anschließend wieder die Berge hinunter. Oben auf den Bergen in rund 1.000 Meter Höhe stößt man auf einen erstaunlich grünen Regenwald, der wohl fast jeden Tag von Dunst, Nieselregen oder auch Starkregen bewässert wird …
In Valle Gran Rey suchen wir erst einmal den Strand Playa del Ingles auf, ein bekanntes Ziel für Hippies, Esoteriker und andere. Der Strand selber ist zwar ausreichend sandig, allerdings stößt man bereits nach kurzer Zeit auf Steine, so dass Schwimmen hier nur bei sehr leichtem Seegang angeraten ist.
Auf dem Parkplatz steht heute Manu mit seinem alten 406 Mercedes Posttransporter, ein Spanier mit Gitarre, der dort bereits seit mehr als einem Jahr haust: Sein Fahrzeug ist nahezu völlig zugespachtelt an den die löchrigen Stellen, die Scheinwerfer sind blind, die Reifen brüchig. Am Strand wurden viele Steinkreise gelegt, in denen man Windschutz finden kann. Zelte sind nicht erwünscht, weshalb sich viele einfach mit Decken oder Schlafsäcken in die Steinkreise legen
Ich suche mir eine Ginsterhöhle aus, die allerdings nachts doch zugiger ist als gedacht. Auf diese Weise hole ich mir fast eine schmerzhafte Lungenentzündung, bereits leichtes Einatmen schmerzt schon in der rechten Seite und an tiefes Einatmen ist gar nicht erst zu denken …
In Anbetracht dieser “etwas ungünstigen” Umstände beschließen wir, uns für eine Woche oder etwa 10 Tage vom Zelten oder dem Schlafen im Auto zu erholen und uns eine kleine, günstige Pension zu suchen. Das ist allerdings kurz vor Weihnachten deutlich einfacher gesagt als getan, denn wie bereits angedeutet ist der Touristenort Valle Gran Rey bereits ziemlich überfüllt und ausgebucht …
Wolfgang beginnt sich mit diversen Leuten zu unterhalten und meint schließlich, wir sollten mal versuchen, direkt am Meer in der blau-weißen Pension Casa Domingo eine Unterkunft zu bekommen.
Am nächsten Tag gegen 10 Uhr treffen wir den Besitzer an, einen netten, aber auch neugierigen Spanier, der die Pension von seinem Vater übernommen hat, der sie in den 1960er Jahren aufbaute. Er achtet nun sehr darauf, welche Leute er bei sich beherbergt: So fragt er uns erst einmal, von wem wir die Empfehlung bekommen hätten, danach will er wissen, was wir so machen und tun, und nach einem langen weiteren Verhör beschließt er letztendlich, uns ein kleines Appartement für 25 Euro die Nacht zu geben.
In dieser Pension wohnen zahlreiche Deutsche bzw. Österreicher: Einer von diesen hat oben an den Bergen einen Platz geschaffen, um ein Boccia ähnliches Spiel auszurichten. Dorthin werden auch wir eingeladen, aber können gegen die Profis in keiner Weise bestehen: Der Gewinner bekommt meist eine Flasche Cidre, die dann die Runde macht. An dieses Getränk erinnere ich mich noch sehr gut in Zusammenhang mit einer Fahrradtour durch Nordspanien in den späten 1980er Jahren: In Asturien, dem spanischen Cidre Gebiet, wo man in den Kneipen bis zu den Knöcheln in Cidre watete, war es eine Tradition der Einwohner, das Glas mit der Flasche über den Kopf rückwärts voll zu gießen. Woraufhin ich dann auch nach kurzem Suchen einen Laden entdeckte, der eine solche 0,75 Literflasche für 1,50 Euro anbot. Dies war bei der sommerlichen Wärme immer ein gern gesehenes, erfrischendes Getränk, bevor man abends dann vielleicht auch durchaus stärkere geistige Getränke zu sich nahm …
Nach ein paar Tagen treffe ich zufällig wieder den Österreicher Max, alias Isa, der mit seinem schweren Rucksack am Ende von Valle Gran Rey den Weg Richtung Bucht sucht. Doch dieser ist durch eine Baustelle versperrt, die den Zugang zur letzten Bucht für eventuelle Besucher erschwert, da nach einem hier üblichen Felssturz mit weiterem Steinschlag zu rechnen ist.
Ich erinnere ihn an sein Angebot, ein altes Wohnmobil zu vermieten und kündige ihm an, dass wir die Tage mal vorbeikommen würden. Er warnt uns noch ein wenig vor dem sogenannten Todesweg, schmeißt seinen Rucksack über den Bauzaun, klettert selber darüber und verschwindet danach hinter und unter den Felsen …
Am Folgetag ist ein Ausflug in das Argayall Tal fällig: Um die Baustelle zu umgehen, müssen wir erst einmal einen Teil des Bergs hochlaufen und dann wieder hinunter, um uns an der Baustelle vorbei und am Felsen entlang auf die alte Straße hin bewegen zu können. Über uns drohen 50 Meter hohe Felssteilwände und man sieht auf dem Boden diverse kleinere und größere Steine, die anscheinend immer wieder mal von oben herunterprasseln …
An der Stelle, wo der Felssturz erfolgte, führt später ein improvisierter Weg über die Steinreste hinweg zum Tal: In einer Reihe stehen dort etwa fünf Fahrzeuge, welche alle in irgendeiner Form bewohnt oder behaust sind. Vor der von “Sannyasins” gegründeten Finca Argayal stehen ebenfalls noch weitere rund 3-4 Fahrzeuge.
Eines davon ist das Wohnmobil von Max, dort trinken wir gemeinsam einen Tee und besprechen, wann wir in das erste braune Wohnmobil hinter dem Felssturz einziehen können, das ihm ebenfalls gehört. Wir versuchen anschließend noch den weiteren Weg in die Schweinebucht zu nehmen (der Name hat sich in den 1970er Jahren gebildet, da die Bucht für Nacktbader bekannt war und das die Einwohner von Gomera veranlasste, die Bucht so zu bezeichnen). Da sich dies aber nicht als Weg herausstellt, sondern eher nur als Ansammlung von großen dicken und runden Steinen, geben wir nach etwa einer halben Stunde auf und kehren wieder um.
Ein paar Tage später machen wir uns wie verabredet mit leichtem Gepäck auf den Weg zu unserem neuen Urlaubsdomizil, dem alten Wohnmobil in der Bucht hinter dem Felssturz: Max hat uns eine Powerbank hingestellt sowie frische Bettlaken, ein improvisiertes Klo draußen, eine Lampe und eine Gaskochgelegenheit. Nach dem langen Weg lege ich mich erst einmal auf die Matratze und beginne ein Buch zu lesen, derweil Wolle sich draußen auf einem Stuhl bequemt …
Kurz darauf höre ich ein leises Pfeifen und einen lauten Knall, ich rufe: “Wolfgang, hast du eine Flasche fallen lassen?” Er meint nein, hier sei eben ein großer Stein runtergekracht. Ich gehe nach draußen und tatsächlich sehe ich eine Einschlagstelle, ungefähr anderthalb Meter neben dem Stuhl, auf dem Wolle gesessen hatte. Nach kurzer Zeit finde ich auch den Stein, der mehr als faustgroß ist: “Nun”, sage ich gelassen in seine Richtung, “das war wohl ein Begrüßungsstein!”
So vergehen dann die Tage an der Felswand, manchmal auch mit ein paar kleinen Steinen, vor denen sich hier etliche mit Bauhelmen zu schützen versuchen – mir ist das egal, nach der alten Devise: Sei fair, gib dem Tod eine Chance …
Jeden Tag geht einer von uns den sogenannten Todesweg in die kleine Stadt, um einzukaufen. Ich entdecke bei der Gelegenheit den einfachen Weg gleich unten am Meer entlang, welcher aber mit Gepäck nur bei Ebbe begehbar ist. Der eigentlich gute Strand befindet sich allerdings in Richtung des anderen Endes der Stadt, weshalb ich mich manchmal zu Fuß und ab und zu auch mit meinem Auto dorthin begebe, um ein wenig mit den dort auch besseren Wellen zu spielen – Bodysurfing …
Hier gibt es auch einen kleinen Platz vor der Kapelle, auf dem sich abends junge und alte Hippies und Aussteiger treffen, Musik spielen, Joints rauchen und am Strand Feuerspiele veranstalten. Die meisten sind Rainbow Enthusiasten, Klima Idealisten, von weitem gesehen könnte man sie auch Die Kinder von Torremolinos nennen (nach dem bekannten Buch von James Michener (1971), später hatte J.G. Ballard das Thema nochmal aufgegriffen in Cocaine Nights (1996) …
Auf diesem kleinen Platz vor der Kapelle kommt es oft zu interessanten Gesprächen und Diskussionen, auch wenn ich den Idealismus der Meisten hier nicht teilen kann. Sehr gut verstehen kann ich dagegen, dass man der heutigen Gesellschaft sehr kritisch gegenüber steht, aus Deutschland weg wollte und für sich selbst eine Nische auf der Insel Gomera sucht. Auch hier ist natürlich Corona ein Thema, aber dazu mehr an anderer Stelle …
In den Tagen freunde ich mich mit einem der Wohnmobilinsassen hinter dem Felssturz an, einem Namensvetter von mir, ebenfalls ein Michael. Er hat mein Coupé mit den lettischen Kennzeichen in der Stadt gesehen und fragt mich, ob ich denn auch Deutsche in Lettland kennen würde. Ja, sage ich, einige davon, z.B. Micha Chittka aus Riga, der leider vor ein paar Jahren verstorben ist. Unglaublich, sagt er, mit dessen Schwester war er früher mal zusammen, und auch den Chittka selbst, einen alten Ganoven, kennt er gut. Ja, meine ich, der hat auch einmal mein Coupé gefahren und es gegen Rost behandelt …
Michaels Wohnmobil ist noch eines der besten, das hinter dem Felssturz steht und er überlegt sich, das Fahrzeug noch einmal in Betrieb zu nehmen, um es ein wenig zu bewegen: Das Problem ist allerdings, dass der Motor nur mit externer Treibstoffzufuhr anspringt. Ich schaue mir das Ganze mal genauer an, er besorgt derweil eine neue Batterie und wir machen schließlich die ersten Startversuche.
Da kein Sprit von hinten ankommt, stecken wir eine Spritleitung in einen Kanister und heben den so weit hoch, dass der Sprit besser in den Motor hineinlaufen kann. Irgendwann springt er auch mit fürchterlichem Gequalme an: Wir lassen ihn eine Weile laufen und stellen ihn dann wieder ab, aber bereits nach einer halben Stunde Standzeit will er erneut nicht anspringen. Alles klar meine ich, das liegt am defekten Rücklaufventil und das Einfachste wäre, ein zusätzliches Ventil einzubauen, welches man per Hand auf- und zumachen kann.
Kurz vor Neujahr haben wir das Ventil eingebaut und machen eine kurze Fahrt durch das schmale Tal bis zum Ende der kleinen Privatstraße, an der etwa 5 bis 6 Häuser liegen.
Oben am Ende der Straße befindet sich noch ein kleiner Trampelpfad, der weiter in die Berge zu abgelegenen Terrassen führt, auf denen Jorgi, ein ca. 70 Jahre alter Mann, sein kleines Tipi Zelt aufgeschlagen hat, umkleidet von Palmzweigen, und dort immer für ein halbes Jahr im Winter auf Gomera haust.
Die schon erwähnte Sannyasin-Finca hält sich bei Kontakten bedeckt, nur mit einem der Besitzer komme ich in ein längeres Gespräch. Mir war bereits bekannt, dass sie ursprünglich in der Bhagwanzeit der 1980er Jahre errichtet wurde und so unterhalten wir uns länger über jene Zeit. Santini, wie er sich nennt, meint, diese ideologische Ausrichtung wäre schon lange vorbei, heutzutage würde man nur noch allgemein esoterische Ziele vertreten wie Meditation, Einklang mit der Umgebung und Natur und so weiter. Von Autarkie kann man hier nicht sprechen, da die 1,1 Hektar bei Weitem nicht ausreichen, eine Mannschaft von etwa 20 bis 30 Personen zu unterhalten zuzüglich der immer wieder neuen Gäste, die aus Sicherheitsgründen nur mit dem Boot in die Bucht und wieder weg gebracht werden. Diese Gäste können für eine oder mehrere Nächte ein Zimmer bzw. ein kleines Holzzelt mieten. Die billigste Unterkunft für eine Nacht einschließlich Verpflegung, natürlich vegetarisch, kostet 80 Euro. Santini räumt auch ein, dass nur ein touristisches Konzept mit vielen Gästen diese kleine Kolonie am Leben erhalten würde …
Ich nutze die lange Zeit am Meer auch, um einige interessante philosophische Bücher zu studieren, so z.B. über die chinesische Philosophie. Dabei kann ich den ersten Anarchisten in zwei Büchern ausfindig machen, nämlich Yang Tschu, der um 400–300 v.Chr. in China lebte. Von ihm an dieser Stelle einige Weisheiten:
“Recht und Moral sind etwas Äußerliches, womit sich ein Staat höchstens eine Zeitlang regieren lässt, aber sie stehen im Gegensatz zu den inneren Gesetzen der Persönlichkeit, die darunter leidet, daher fort mit diesen äußeren Eingriffen in die Menschennatur.“
“Vier Chimären sind es, denen die Menschen nachjagen und sie nicht zum ruhigen Lebensgenuss kommen lassen: das Verlangen nach langem Leben, nach Ruhm, Ehre und Reichtum.”
“Durch Strafen und Belohnungen werden die Menschen gehemmt und angefeuert, durch Ruhm und Gesetze angetrieben und zurückgehalten, so dass sie in beständiger Erregung sind. Indem sie sich um den eitlen Ruhm einer Stunde abmühen und für den Glanz, der ihren Tod überdauern soll, Sorge tragen, gehen sie einsam ihres Weges. Dabei aber verlieren sie die glücklichsten Augenblicke der Gegenwart und vermögen sich nicht einmal eine Stunde frei ihren Gefühlen hinzugeben. Wie unterscheiden sie sich von kettenbeladenen Sträflingen?”
Gestrandet …
Nach ein paar Wochen komme ich mal wieder aus der Stadt zurück zu unserem Wohnmobil und stelle mit Erstaunen fest, dass ein sehr großes Segelboot direkt vor der Finca auf den Strand gespült worden ist.
Mein Freund Wolfgang hatte den Schiffbruch noch filmen können, jetzt aber liegt das Boot schief auf der Seite eingekeilt zwischen den großen schwarzen Steinen. Die Ursache der Havarie ist laut Hörensagen ein zerrissenes Ankerseil, der Besitzer befand sich zu dem Zeitpunkt in der Stadt und ansonsten hatte das Schiff keine weiteren Personen an Bord. Am Spätnachmittag trifft schließlich auch der Besitzer ein, ein Italiener. Natürlich ziemlich gefrustet untersucht er sein Boot, das dauernd von Wellen überspült wird und schon erhebliche Beulen auf der Liegeseite aufweist. Von der Finca aus beleuchtet man am Abend dann das Boot weiter, um verfolgen zu können, was dort noch passiert.
Am nächsten Tag wird das Boot genauer untersucht, ich gehe mit ein paar Leuten direkt daneben schwimmen und wir können feststellen, dass ein gewisser Ölgeruch in der Luft hängt und das Wasser bereits reichlich kleine schwarze Partikel aufweist.
Meinen Hinweis darauf ignoriert der Inhaber gekonnt, da das Boot nicht versichert ist und er für eine drohende Umweltverschmutzung mit Sicherheit nicht finanziell aufkommen kann. Später trifft für kurze Zeit auch das große Lotsenboot aus San Sebastian ein, dreht eine Runde und zieht wieder ab.
Der Besitzer hat offensichtlich kaum Mittel, irgendeine Bergung finanzieren zu können: Ein paar Tage später erscheint er mit Brettern und John, der Engländer, der auch die improvisierte Straße über den Bergsturz gebastelt hat, hilft ihm mit einem Wagenheber, die Bretter unter die Seite zwischen Steine und Bordwand zu legen. Das Boot ist ein Stahlboot mit einer Länge von rund 15 Metern, einer Breite von 3 bis 4 Metern und einem Gesamtgewicht von ca. 35 Tonnen, allerdings schon etwa 40 Jahre alt, was man auch visuell wahrnehmen kann.
John, der Engländer, ist ebenfalls ein ganz verrückter Typ, ca. 70 Jahre alt, hat früher wahrscheinlich in irgendeiner britischen Armee gedient und verfügt immer noch über Power ohne Ende. Er hat fast allein den schmalen Weg über den Bergsturz gebaut, mit einem kleinen Bagger sowie Wagenheber, Vorschlaghammer und Keilen, um die Steine zu spalten. Als er es schließlich geschafft hatte, fuhr er mit einem Charles Manson Beach Buggy darüber hinweg, um Dinge aus der Stadt zu holen oder manchmal auch einfach nur, um unter einem Sonnenschirm oben auf seiner selbstgebauten Straße für eine halbe Stunde zu entspannen …
Freiheit oder Isolation hinter dem Bergsturz ..?
Nach anderthalb Jahren, in denen die spanische Regierung gar nichts unternommen hatte, um die Verbindung zum Argayall Tal wiederherzustellen, war man mittlerweile soweit gekommen, dass zumindest einige der noch gut erhaltenen Fahrzeuge über die improvisierte Straße in die Kleinstadt gebracht werden konnten. Dazu half John mit seinem kleinen Bagger und schleppte die niedrig liegenden Fahrzeuge über den selbstgebauten Weg des Hügels.
Dies bedeutete für den vor uns in einem kleinen Wagen hausenden Aussteiger, dem zwar dieser Wagen nicht gehörte, der aber von einem Spanier die Erlaubnis erhalten hatte, ihn als Wohnung zu nutzen, dass er sich durch das Angebot, das Fahrzeug hinaus zu bringen, selber obdachlos gemacht hatte. Das Fahrzeug habe ich übrigens selbst herausgefahren, da er technisch doch nicht so sehr versiert war, wie es schien …
Die rechtliche Lage hinsichtlich der Verbindung zur Bucht, die durch den Felssturz unterbrochen wurde, war etwas schwierig: Zum einen betraf es zwei verschiedene Kreisverwaltungen der Insel und zum anderen war schon vor dem Felssturz ein großes Warnschild auf der Straße angebracht worden, wonach man diese nur auf eigene Verantwortung nutzen konnte, wovon aber grundsätzlich abgeraten wurde. Gerüchte machten die Runde, dass geplant sei, mit einem Halbtunnel eine neue Straße in die Bucht zu bauen, doch ob der spanische Staat in Anbetracht von lediglich 5-7 Häusern und der kleinen Finca solche Investitionen vornehmen wird, erscheint mir äußerst fraglich. Überhaupt herrscht aber hinter dem Felssturz eine gewisse anarchistische, doch auch freundliche und hilfsbereite Atmosphäre.
So hat uns z.B. John zu Silvester ein Sixpack Bier vorbeigebracht mit besten Wünschen für das neue Jahr. Oder wir haben z.B. jemandem mit Essen versorgt, der in den Bergen wegen Unzugänglichkeit seinen Rucksack hat liegen lassen müssen, so dass er diesen erst ein paar Tage später in einer gewagten Aktion wieder bergen konnte. Oder es haben sich junge Leute um unseren Übernachtungsbus versammelt, Hähnchen am offenen Feuer gegrillt und lange lustige Gespräche mit uns geführt … Auch kam einmal eine deutsche Frau mit zwei Kindern bei uns vorbei und fragte nach Unterkunftsmöglichkeiten, sie kam aktuell aus Nicaragua und hatte sich angeblich von ihrem dortigen südamerikanischen Freund getrennt, da sie nach Jahren (!) feststellen musste, dass er cracksüchtig war …
Im Tal gibt es neben den Hippies und Aussteigern, die in der Schweinebucht oder in den Höhlen hausen, auch einen Deutschen, der schon seit Jahren nur noch vom Containern lebt, keinen Pass mehr hat und faktisch mittellos ist. Ebenfalls bekannt ist dort ein nackter Mann, ein Spanier, der schon seit Jahren nicht mehr redet und wie man sagt, vermutlich “auf Stechapfel hängen geblieben ist.” Nach Erzählungen der Anwohner soll er kurz vor dem Felssturz Steine auf die Straße gelegt haben. Als Warnung. Auch während unseres Aufenthaltes schreitet er einmal prüfend die Felswand ab, offenbar um zu spüren, wie es um sie bestellt ist … Interessanterweise schlägt ein paar Wochen später ein überfaustgroßer Stein in unser Wohnmobil ein, durchschlägt das Dach und zerfetzt die Matratze an der Stelle, wo einer unserer Köpfe gelegen hätte …
Der Drogenkonsum auf der Insel ist phänomenal, es gibt alles von LSD über Kokain, Heroin und sonstigen chemischen neuen Drogen, sodass sich viele der jugendlichen Aussteiger und Hippies faktisch in einem mehr oder minder “dauerbreiten” Zustand befinden …
Der dunkle, kühle Nordteil der Insel und groteske sinnlose Projekte …
Zahlreiche Klimazonen gibt es auf der kleinen Insel, so z.B. den Regenwald in 1.000 Meter Höhe, dauerkalt und nass, oder den Nordteil der Insel, Agulo, die kleinste der sechs Gemeinden, wesentlich kühler als Valle Gran Rey und viel stürmischer. Dort übernachten wir ebenfalls einmal direkt am Meer, allerdings wird mein Auto durch die Gischt der rund 5 Meter hohen Wellen geradezu gepökelt …
Am Ende der Bucht von Hermigua im Nordosten Gomeras gibt es eine alte Bananen-Verladeanlage im Meer, die vor über 100 Jahren gebaut wurde und seit den 1950er Jahren außer Betrieb ist. In den 1980er Jahren hat man dort eine Cafébar errichtet und unten auf dem Felsen ein Freibad gebaut, das regelmäßig von starkem Wellengang überspült wird. Die Sonne kann dort eigentlich kaum hin kommen, da sie durch die Berge weitgehend verdeckt wird, es ist für mich in gewisser Hinsicht auch der gruseligste, düsterste und chaotischste Teil der Insel.
Um das Maß voll zu machen, befindet sich direkt unten am Strand ein “Photovoltic Hallenbad”, das erst im Oktober 2021 fertiggestellt wurde, bisher nie in Betrieb war, aber eine Investition von über 200.000 Euro erforderte. Daneben steht eine alte aufgegebene Kapelle, sie bietet mir für eine Nacht eine Unterkunft …
Die wenigen Bananenplantagen, die man noch auf der Insel findet, sind oft schon deutlich sichtbar in einem nicht mehr gepflegten Zustand, da man mit Obst und Gemüse auf der Insel im Vergleich zum Tourismus kaum noch etwas verdienen kann …
Allgemeines und die Rückkehr …
Die Supermarktkette Spar, ersichtlich deutsch, passt recht gut zu den 80% deutschen Touristen, die sich in Valle Gran Rey aufhalten …
Die Polizei ist erstaunlicherweise sehr zurückhaltend und freundlich, einmal parke ich auf einem reservierten Parkplatz im Hafen von San Sebastian, ein Polizist mit Fahrzeug hält an und meint, ich dürfe dort nicht stehen (ich befand mich aber bereits seit zwei Stunden in der Stadt), dann meint er, interessantes Auto, er hätte auch so einen Mercedes als Limousine, er zeigt mir Bilder auf seinem Handy und bittet mich, einen Blick unter die Motorhaube werfen zu können. Es sind keine Masken im Spiel, es gibt keine Berührungsängste, später überhole ich ihn noch in der Stadt und wir hupen uns gegenseitig zu …
Der Ort Playa de Santiago auf der anderen Seite im Süden der Insel mit einem großen Tal, zeigt sich weitläufig mit vielen Zelten und direkt am Strand und es gibt auch hier diverse Höhlen, wo ebenfalls Aussteiger und Hippies hausen. Allerdings im Vergleich zu Valle Gran Rey erscheinen die anderen kleinen Orte und Städte kaum belebt mit großem Leerstand, was übrigens auch für die Hauptstadt der Insel San Sebastian gilt und wie bereits erwähnt für Teile von Santa Cruz auf Teneriffa.
Vor der Rückfahrt und dem Abschied von der Insel habe ich noch einmal mit dem Besitzer vom Segelboot sowie seinem Freund und John, dem Engländer, mit Seilzügen ein paar der schweren Steine unter dem Kiel weggezogen, jedoch glaube ich nicht daran, dass das Boot noch jemals den Strand als Ganzes verlassen wird, denn was das Meer einmal als Strandgut ausgeworfen hat, nimmt es ungern wieder zurück und jede Flutwelle, die höher ist als die letzte, wird das Schiff nur noch ein Stück weiter auf den Strand spülen. Es ist nun schon fast einen Monat her und die Nachrichten aus der Argayall Bucht bestätigen meine Vermutung: Das Schiff liegt immer noch am Strand …
Die Rückfahrt Mitte Januar 2022 gestaltet sich ähnlich wie die Hinfahrt, diesmal wieder eine teure Fähre von Santa Cruz nach Huelva, die aber nur schwach besetzt ist …
Zurück in Portugal: Wir besuchen noch einmal den Sohn von Wolfgang in der Serra da Estrela und fahren anschließend über das spanische Hochland weiter nach Frankreich sowie über Mühlhausen dann nach Norddeutschland. Auffallend ist, dass viele der Dörfer und Kleinstädte in Spanien und Frankreich mehr oder minder ausgestorben erscheinen und zahlreiche Häuser Verkaufsschilder tragen. Andere Häuser sind offensichtlich mit heruntergelassenen Rollläden bereits seit längerem unbewohnt …
In Mornas, Südfrankreich, haben wir noch einmal einen kleinen Tiefpunkt der Reise: Die Benzinpumpe meines alten Benz fällt mitten auf der Autobahn aus, es ist Sonntagnachmittag, wir schaffen es gerade noch, das Fahrzeug auf eine im Bau befindliche Raststätte zu schieben. Dann setzt ein fürchterlicher Eismistral ein, bei ca. 1°C baue ich die Pumpe aus und wir müssen noch eine kalte Nacht im Auto verbringen, bis wir am nächsten Morgen eine freundliche marokkanische Autowerkstatt finden, die es sogar schafft, bis 14:30 Uhr eine neue Benzinpumpe für uns zu organisieren.
Da die Mautgebühren in Frankreich eine Unverschämtheit und dauerhafte Belästigung darstellen, Landstraßen wegen tausender Kreisel aber unbefahrbar geworden sind, schaffen wir es schließlich, illegal von der Baustelle auf die Landstraße zu kommen und somit für über 300 km Mautgebühren einzusparen …
Auch wenn zu Zeiten von Corona mitunter gerne von Stadtflucht gefaselt wird, so bleibt doch die Tendenz zur Landflucht auf hohem Niveau, viele zieht es wie die Motten in die hell erleuchtete Stadt. Das selbst gestaltete, selbst organisierte individuelle Leben befindet sich weiterhin auf dem Rückzug. Erstaunlich bleibt, dass ich trotz meines Status “Nichtgeimpft” während der gesamten zwei bis drei Monate unbehelligt reisen sowie Geschäfte und Restaurants aufsuchen konnte, ohne dass mich jemand diskriminierend gefragt hat, was Impfungen oder Ähnliches anbelangt. Hoffentlich wird sich solches auch weiter durchsetzen und die Menschheit nach über zwei Jahren Panikmodus langsam wieder zur Vernunft kommen …
Fazit: Es ist wie ein Netz, was dich durch irrsinnige Verordnungen und Angstpropaganda in die Enge treiben will, und dagegen hilft nur Bewegung ..!