Ithaka zum Winter 2015

Eine spontane Reise mit meinem alten Freund Wolfgang, wir waren zusammen vor mehr als 30 Jahren auf Ithaka gewesen.

Er hatte dort ein kleines Restaurant eröffnet und ich bin auf der Durchreise mit Rasmus nach Indien dort “hängengeblieben”, habe etwas 3 Monate dort gelebt, es war vermutlich die schönste Zeit meines Lebens.

Es gibt keine Fotos aus dieser Zeit die Erinnerung wird fadenscheinig und spielt mitunter Streiche.

Nur meine alte Manuskripte zeugen davon was damals in mir vorging.

Nicht hat sich wirklich geändert.

Hier ein kleiner Text, von mir geschrieben 1983 auf Ithaka:

Der Optipest

Morgen wird alles anders sein, wir haben soviel gesehen, von Gestern und vorgestern, soviel gelernt.

Alles werden wir neu aufbauen, das Leben und den Tod.

Sinn wird alles haben.

Unsere neue Welt wird aussehen, wie wir sie kennengelernt haben, denn unsere Phantasie ist nur ein Abbild der Realität, höchstens leicht verzerrt.

Also wird auch unser Morgen so aussehen wie Gestern, höchstens leicht verbogen.”

Am 12.11.2015 sind wir von Watzum aus mit meinem alten Benz nach Italien gestartet.

Nach guten 12 Stunden haben wir im dichtesten kalten Nebel die Küste bei Ravenna erreicht und setzten mit einer Fähre über die Lagune um ans Meer zu gelangen.

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Ich dachte es müsste warm sein in Italien, aber es war als wenn ich nach Lettland gefahren wäre, Luft und Wasser unter 10 Grad.

Die lange Nacht im Nebel spendeten wir dem Rausch des ersten Reisetages.

Am nächsten Morgen gings weiter nach Ancona, kaum Zeit gehabt noch etwas einzukaufen da die Superfast Fähre um 13.30 ablegte.

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Ein gemütliche Mahl an Deck und stille Stunden um die wenigen Gedanken zu sammeln die einem durch den Kopf gingen.

Wolfgangs Wunsch war ein Erdbeben auf Ithaka zu seinem 61. Geburtstag, ich wolte mich mit einem Sturm auf der Rücküberfahrt begnügen.

Am nächsten Morgen erreichten wir dann wirklich südliche Gestade, trotz des beginnenden Winters hatte die milde Luft noch über 20 Grad, wir waren dem kalten Nordnebel entflohen.

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Von Igoumenitsa aus mussten wir in 2 Stunden nach Astakos gelangen um noch die Mittagsfähre nach Ithaka zu erhaschen.

Dort sassen wir in der schönsten Spätsommerwärme auf einem warmen Stein und erinnerten uns.

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Die Insel ist eigentlich so geblieben wie sie immer war.

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Die Polis Bucht auf Ithaka war früher einer meiner Lieblingsplätze , sie hatte etwas zeitloses mit dem alten zweistöckigen Haus am Wasser, was heute noch steht. Interessant die Erinnerungen an zwei Texte die ich wieder gefunden habe, welche ich vor über 30 Jahren dort verfasste:

“Der werdende Vollmond hebt sich langsam in feuchte Nacht hinauf.

Kalte Berge vernebeln.

Der sterbende Sommer haucht in sanften Böen über das sich öffnende Meer aus.

Leises Rauschen und Pfeifen erreicht mein Ohr.

Auch wenn die Wolken nicht nur meine Augen verdecken, selbst die Wellen sind zaghaft und leise.

Keines Menschen Ton erreicht jene Welt, die für wenige Sekunden nur ganz allein dir gehört.

Jedoch wie der Mond die Wolken verlässt, stirbt dieses kleine Etwas, in dem du bewusst ein Teil von warst.”

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Die zweite wichtige Stelle auf der Insel, die Sarakiniko Bucht oder auch Filiatro Bucht, wir waren uns beide sicher das sie immer Sarakiniko hiess, aber die Schilder meinten es anders.100_1024

Die Reste des alten Hauses stehen immer noch im Gebüsch welches damals das grosse Klo bedeutete.

“Das Heute schon für morgen verkauft

(Gedanken aus Ithaka im Herbst 2015, wo der letzte Eselsschrei verklungen ist und mit ihm auch die Seelen der Verrückten, Ausgeflippten, Einsiedler und Freiheitsfanatiker, wo jetzt nur noch ein Frührenterparadies für Möchtegern-Späthippies mit Ratenzahlungen am Leben erhalten wird.)

Es geht kein Weg zurück.

Auch die Wiederholung ist nach vorne im Zeitstrang ausgerichtet.

Es ist ein möglicherweise identischer Neuaufbau einer Materie/Energiekonstellation nach einem vergangenen Zyklus von Explosion und Impulsion der Gesamtmasse denkbar.

Mit einem Bewusstsein versehen entwickelt sich das Leben in der Zeitlichkeit eines Zyklus.

Das es da so, und nicht anders ist, ist der Determinismus der Gegenwart.

Kosmisch, universal gesehen ist nichts determiniert, da alle Möglichkeiten in unendlichen Zeitzyklen durchgespielt werden können. Aber jede einzelne Möglichkeit, jedes einzelne Leben beginnt nicht wirklich, sondern setzt irgendwo in der Ablaufskette von Ereignissen ein, um dann sich selbst konstruierend aus der Umgebung seinem notwendigen Ende entgegenzustreben.”

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Solange die Erde bebt, sie lebt

18.11. 9 Uhr 11 in der Sarakiniko, genannt Filiatrobucht der Abschiedsgruss, erst ein rauschendes kurzes Einatmen des Meeres und dann ein Beben was mich zur Breitbeinigkeit veranlasste.

Ein neues sinnloses Strand – Überwachungstürmchen beginnt stark zu wackeln, die Erde wurde weich wie Wasser.

Sitzend in Vathi unter einem Balkon wie Damokles stellt sich bei nochmaligem Erzittern der Erde die Frage, ob es Vor- oder Nachbeben sind.

Das Beste kommt wahrscheinlich zuerst, auch wenn alle an die letzten Dinge glauben wollen.

Ein starkes Erdbeben hat die Westküste Griechenlands getroffen. Das Geodynamische Institut Athen teilte mit, das Beben habe eine Stärke von 6,1 gehabt. Das Epizentrum liege rund 300 Kilometer westlich von Athen. Die US-Erdbebenwarte maß die Stärke des Bebens sogar mit 6,5.             Tagessschau.de

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Seltsam das meist diesmal nur alten Mauern eingestürzt sind.

 

Die zivilisatorischen Reste sind teilweise noch stumme Zeugen unserer damaligen Anwesenheit

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Es gibt keine grossen Hotelkompexe, keine grossen Investitionen, jeder Versuch ein grosses Geschäft auf der Insel zu etablieren ist anscheinend immer gescheitert.

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Auch der alte Grieche in Frikes mit seinem Kiosk, welcher sich noch an Wolfgangs Restaurant erinnern konnte, sagte nur, das auf Ithaka kein Geschäft zu machen ist, nur im August gäb es genügend Touristen, ansonsten fristet er sein Dasein im dunklen Laden bei Retsina und Sante Zigaretten mit ein paar alten Freunden.

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Eine grosse aufgegebene Fischfarm, mit zurückgelassenen Koffern von Indern oder Pakistani, welche kurz mal als Gastarbeiter kamen und gingen.

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Wieder fällt mir ein alter Text von mir in die Hände welchen ich damals auf der Insel schrieb:

“Unsere Welt

Jeden Morgen, jeden, wache ich auf, und schaue mit müden Augen auf unsere Müllkippe.

Jeden Mittag esse ich, aber nicht allein, die zeitlichen Zeugen der Zivilisation umgeben mich.

Nicht ungern gehe ich dann abends schlafen, und träume des Nachts von Stränden.”

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Er ist wieder frei der Platz, für uns um die Stille der Insel zu geniessen.

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Das leuchtende Plankton im Meer durch welches ich wie durch eine Galaxis von Sternen schwimme bringt einen auf seltsame Gedanken:

“Sterne im Meer

Was ist Zeit ohne Anfang und Ende, in den Gedanken geht es zurück in der Tat voran.

Der Rhythmus schaukelt einen in die Unendlichkeit.

Was kommt, das war, was geht wird werden.

Nichts zu seiner Zeit, der Zeit widersetzlich um das Spiel voranzutreiben welches Ewigkeit bedeutet.

Unruhiges Meer, nie dieselbe Symphonie.

Immer wieder aufs Neue bauen und zerstören.

Das eine dem anderen gegeben, zum Leben.

Es gibt das Licht was aus der Tiefe kommt und das was von oben leuchtet.

Es gibt die Dunkelheit die von oben kommt und in der Tiefe besteht.”

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Viele Stellen auf der Insel sind schwer zugänglich und wenig entdeckt.

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Die Berge sind bis zu 800 Meter hoch, kleine geröllige Strassen schlängen sich empor und hinab.

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Bald werden die vielen alten Häuser, welche schon lange leer stehen in den wenigen kleinen Bergdörfern

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auch das ärchologische Schild bekommen was die ganze Insel schon übersät,  Homers Schule, Odyseus Palast, Homers Klo, Homers Kneipe etc.

Die Strasse in die Vergangenheit muss nicht über Homer gehen

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Sie führt nur in die sich überwuchernden Schichten von sich wehcseldem Glauben und Gesellschaften.

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Hat das Neue gegenüber dem Alten Bestand, oder umgekehrt?

So einfach wie man denkt ist es nicht, das aus dem Alten sich das Neue entwickelt und dieses verdrängt.

Manchmal vergeht schon das Neue bevor das Alte stirbt.

Die Olivenhaine in Griechenland bestehen seit tausenden von Jahren umgeben von losen Steinmauern, daneben veröden die aufgegebenen Zeugen der modernen Plastik- und Metallzivilisation.

Manchmal sind es Paralellwelten, selten in der Symbiose.

Das Alte hat die Tendenz stabiler zu sein als das Neue, welches wie oft recyceltes Material schon nach kurzer Zeit brüchig wird und zerfällt.

Da aber kein Weg zurück führt, wird alles gleichermassen museal und bröcklig, das Neue immer schneller und das Alte langsam und beständig.

Letztlich erringt das Alte einen Phyrussieg über dem Neuen, da seine Reste, der damaligen Funktion entkleidet, verbleiben neben dem Müll und der Asche aller Neuzeit.

Was ist alt und was ist neu wäre hier die Frage, wo liegt der Trennstrich?

Im Material?

In der Konstruktion?

Es gibt keinen Trennstrich, die Veränderung von Altem zu Neuem geht fliessend, sich selber wie die Masse potenzierend vonstatten, es ist die altbekannte Entwicklung von geballter, komprimierter Materie/Energie zur Verdünnung dem Nichts angenähert.

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Ich nehme langsam Abschied von der Insel, in der letzten Bucht in der Mittagssonne begegnet mir noch ein

“Oktopus

Er kam aus den Tiefen des Meeres vor Ithaka und reichte mir seine Tentakeln zum Abschied wie ein guter alter Freund.

Am Strand verweilte er einen längeren Moment.

Unser Gespräch war kurz, keiner fragte woher und wohin, wir kannten uns womöglich schon zulange.

War ich einst der Oktopus oder wird er ich sein?

Wir schauten uns seitlich in die Augen, er spritzte ein paar Mal einen schwall Wasser aus und ich reichte ihm nochmal meinen Finger, welchen er schmatzend umringelte.

Dann wendete er sich zum Meer und schwamm mit angezogenen Tentakeln wie Fisch in die Tiefe, mit meinem Wunsch hinterher, für etwas Wirbel zu sorgen.”

Den Sturm habe ich dann im Mai 2016 bekommen, Ithaka hat sich selbst übertroffen und meine Erinnerung an die erste Liebe ausgelöscht durch etwas Neues was noch intensiver wirkt und noch viel zerstörender als ein Erdbeben sein kann.

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siehe auch das kleine Video zur Ithaka Reise: