Kritische Gedanken alter Denker zur Zivilisation

Über die alte chinesische Philosophie

Geschichte der chinesischen Philosophie,

betrachtet unter dem Aspekt des ewigen Formenwandels.

Bei im frühen philosophischen Denkens entnommenenTextstellen des Schiking spielt der Begriff des Himmels in der chinesischen Philosophie eine wesentliche Bedeutung. Er ist verantwortlich für allen Wechsel und alle Veränderungen welche sich im Kosmos zutragen.

“Unendlich ist der hohe Himmel, doch seine Güte ist dem nicht gleich ,er sendet Hungersnot und sterben, Vernichtung in das ganze Reich. Der hohe Himmel, grimmig zürnend, beachtet schonet keinen mehr. Ich schweige des der sich verschuldet. Für seine Frevel büsset er, doch die auch die sich nicht verschuldet, sie stürzen alle ringsumher.”

Schiking II. 4,10

Der Himmel im chinesischen als die bedeutendste „Naturgottheit“ betrachtet, gibt keinen Hinweis in diesem Zitat auf irgendwelche Moral oder Verhaltensweisen welche ein Unglück oder einem unglücklichen Zufall verhindern könnten.

Neben den zwei klassischen Vorstellungen des Himmels und der Erde, welche als Schirm oder Glocke und die Erde als die Schüssel oder der Himmel als volle Spähre in deren Mitte die Erde eingebettet ist, gab es noch eine dritte heute weitgehend vergessene Theorie.

“Danach hat der Himmel überhaupt keine Form, weder eine sphärische noch hemisphärische, denn er ist keine massiven Kugel, sondern substanzlos und von unendlicher Ausdehnung die blaue Farbe des Himmels ist nur eine optische Täuschung. Die Himmelskörper bewegen sich von besonderen Kräften getrieben im leeren Raum.”

Tschin-schu XI S. 2B

Zu den wesentlichen Grundkräften gehören das Yin und Yang.

Sie sind sozusagen der Inbegriff der Polarität und somit der Garant für den ewigen Formenwandel.

“In demselben Maße, wie das eine Element zunimmt, nimmt das andere ab. Nachdem ein Element seinen Höhepunkt erreicht hat, während das andere auf ein ganz geringes Maß zusammengeschrumpft ist, nimmt es wieder ab und das andere beginnt zu wachsen, bis es in gleicher Weise seine größte Ausdehnung Irland dadurch herrscht in der Natur beständig Bewegung und Veränderung.”

Alfred Forke, Geschichte der alten chinesischen Philosophie, Seite 48

Die beiden Hauptströmungen der chinesischen Philosophie sind bekanntlicherweise die Konfuzianer und die Taoisten wobei es noch verschiedene Richtungen gibt welche sich aber immer im Prinzip auf eine der beiden Hauptströmungen zurückführen lassen. Die Bedeutung der Konfuzianer liegt hauptsächlich in der Ausbildung einer spezifisch chinesischen Ethik, einer Moral die im Wesentlichen auf die Bedeutung der Familie verweist. Die Ehre und Achtung der alten Familienmitglieder ist der Dreh- und Angelpunkt dieser moralischen Ethik. Die Taoisten wiederum beschäftigen sich ausgehend von kosmologischen Fragen viel mit der Metaphysik sprich der Deutung des menschlichen Lebens im kosmischen Zusammenhang und überhaupt jeglicher Bewegung und Veränderung im Universum.

Einer der älteren Staatsphilosophen, Kuan-tse, sagt bezüglich der Ethik sehr einleuchtend:

“Sind Scheuern und Speicher gefüllt, dann kennen die Leute die Vorschriften der Sitte, und ist für ihre Kleidung und Nahrung genügend gesorgt, dann wissen sie, was Ehre und was Schande macht.”

Kuan-tse I, 1r

Die Moral ist somit nur ein Kulturprodukt der Gesättigten.

Yu-tse wiederum gibt der Moral und der Stellung des Menschen eine ähnliche Bedeutung wie in der Bibel:

“Nachdem die Welt geschaffen war, entstanden die zahllosen Geschöpfe, und nachdem die Geschöpfe entstanden, übernahmen die Menschen die Herrschaft… Die Menschen werden durch äußere Zucht besser, die Tiere schlechter wenn ein Mensch sich nicht bessert, so nennt man ihn ein Tier.”

Yu-tse S. 7

Hier wäre interessant die Theorie zu untersuchen inwieweit die Tiere durch Domestikation schlechter werden, was wäre in diesem Fall schlecht?

Ein Konfuzianer, Tse Sse, sagt zur kosmologischen Frage:

“Vollkommenheit ist der Anfang und das Ende aller Dinge, ohne Vollkommenheit würde nichts existieren. Daher ist die höchste Vollkommenheit ohne aufhören, und da sie nicht aufhört, ist sie ewig, und indem sie ewig ist, tritt sie in die Erscheinung.”

Legge, Chinese Classics, S. 418

Hier wird es ein wenig mystisch ja, man könnte auch sagen dass er gewisse taoistische Anklänge hat. Man darf diese Aussage aber nicht mit Hegel verwechseln welcher meint, das sich das ganze Leben und der Kosmos in einem fortlaufenden perfektionierenden Prozess zum ewigen Weltgeist hin entwickelt.

Denn ganz einfach logisch gedacht, wenn es einen Anfang gäbe und der vollkommen wäre, gäbe es keinerlei Anlass von weiteren Veränderungen oder Bewegungen auszugehen. Dieser Widerspruch taucht übrigens sehr häufig in der chinesischen Philosophie auf.

Nachdem I-Ging Kommentar bezüglich der kosmischen Frage einer Schöpfung heißt es:

“daher gibt es in der Wandlung das Urprinzip. Dieses bringt die beiden Potenzen hervor die beiden Potenzen schaffen die vier Gestaltungen und die vier Gestaltungen bringen die acht Trigramme hervor.”

Yiking, App. III

Hier also etwas deutlicher ausgedrückt die Wandlung, die Veränderung, die Polarität ist das Grundprinzip jeglichen Lebens auf der Erde und im Kosmos.

Dies bestätigt auch eine Stelle im Līķi (Buch der Riten) dort wird auf die Frage des Herzogs Ai, was das wichtigste beim Tao des Himmels sei, folgende Antwort von Konfuzius gegeben:

“Das Wichtigste ist die Unaufhörlichkeit. So folgen sich Sonne und Mond von Osten nach Westen ohne aufhören, das ist das himmlische Prinzip. Die fortschreitende Zeit gerät niemals ins Stocken, das ist das himmlische Prinzip. Der Himmel handelt nicht, aber die Dinge werden geschaffen, das ist das Prinzip des Himmels. Sobald sie geschaffen sind werden sie allen sichtbar, das ist das Prinzip des Himmels.“

Man sieht an solchen Stellen zweierlei einmal das in kosmologischen Fragen die Konfuzianer sich durchaus in vielen Punkten sehr den Taoisten genähert haben, und das womöglich die unendliche Bewegung die Grundlage für jegliches kosmologisches Denken darstellt.

Auch Hsuen-tse eigentlich den Konfuzianer zugehörig schreibt über den Himmel etwas ähnliches wie eingangs schon erwähnt dass der Himmel im Prinzip eine blinde Naturkraft darstellt. Vom Himmel wird eigentlich das Leben verliehen nach der chinesischen und auch konfuzianischen Ansicht, deshalb auch der Pragmatismus sich nach den Gegebenheiten zu richten:

“Besser als den Himmel zu preisen ist es, das vom Himmel verliehene Leben zu gestalten und zu benutzen, besser als eine günstige Zeit abzuwarten ist es, der Zeit entsprechend zu handeln und sie zu benutzen.”

Schon vor Laotse hat man sich in China über kosmologische Gedanken den Kopf zerbrochen

Aus dem Yin fu tching (Vorgänger des Tao te king), frei übersetzt

The edition now translated bears the name of Chang Shih-ch‘un as editor, a scholar of Honan who lived in the reign of Ts‘ung Chêng, last Emperor of the Mings:

Die produktiven und destruktiven Attribute des Himmels bilden ein leitendes Prinzip des TAO. Himmel und Erde sind die Plünderer aller Dinge; Alle Dinge sind die Plünderer des Menschen, und der Mensch ist auch der Plünderer aller Dinge. Wenn die drei Plünderer in gegenseitigem Einvernehmen sind, werden die drei Mächte in Frieden ruhen. Alle Menschen betrachten den Himmel, die Erde und alle Dinge als zur gegenseitigen Produktion oder Unterstützung geschaffen; aber der Weise betrachtet sie als im Hinblick auf die gegenseitige Zerstörung errichtet. In Bezug auf die produktiven Eigenschaften von Himmel und Erde: Was sie heute produzieren, zerstören sie später. Jetzt dem, was sie einmal zerstört haben, wieder Leben einzuhauchen, macht diese Zerstörung zwecklos und das Leben selbst so, als wäre es nie verliehen worden; aus diesem Grund sind Himmel und Erde die Plünderer aller Dinge. Der Mensch wird von Allen Dingen unterstützt oder genährt und erleidet dennoch eine tatsächliche Gefahr durch sie; Aus diesem Grund sind alle Dinge die Plünderer des Menschen. Der Mensch stellt alle Dinge her und stellt sie dann als Beitrag für seine Nahrung und Kleidung zur Verfügung; und somit ist er der Plünderer aller Dinge. Diese Plünderer sind aufgrund ihrer Unwissenheit so, dass das, was sie tun, Plünderung ist. Wenn jeder nur den lebensspendenden Prozess und nicht den Zerstörungsprozess sieht, werden die drei Plünderer jeder in seiner eigenen Sphäre sein [quoad die anderen beiden], und die drei Mächte werden befähigt, dauerhaft zu herrschen.

Die Antriebskraft des Himmels und der Erde zu stehlen und zu verwenden; die Antriebskraft der Schöpfung insgesamt zu stehlen und einzusetzen; die Bewegungskraft meines eigenen Körpers zu stehlen und zu kontrollieren – alles ist ein Raub der Bewegungskraft. Aber es gibt einen angemessenen und einen unangemessenen Gebrauch, dem eine solche Antriebskraft zugeführt werden kann; und aus diesen beiden Methoden resultieren jeweils Nutzen und Schaden. So gibt es Menschen, die sich ihrer zur Stärkung ihres Körperbaus bedienen; die sowohl ihre eigenen Kräfte als auch die Kräfte der sie umgebenden Welt für ihre eigene Ruhe nutzen. Es gibt andere, die, nachdem sie es erlangt haben, Wert auf ihr Leben legen; die auf perverse Weise ihre eigene Zerstörung herbeiführen und die Zerstörung der Welt um sie herum provozieren; so dass das, was sie erlangt haben, weit von ihnen entfernt ist.

Gerade der Schaden, der Menschen und Dingen zugefügt wird, ist eine Quelle des Nutzens für sie. Gerade der Tod, der sie heimgesucht hat, führt zu ihrer Wiederbelebung. Diejenigen, die dieses Gesetz verstehen, sind in der Lage, sowohl sich selbst als auch andere zu regieren.

Individualität kann kein Faktor der Gleichheit sein; was einer an sich verliert, kann ein anderer nicht wiedergutmachen.

Das Leben ist die Wurzel des Todes; Der Tod ist die Wurzel des Lebens. Wohltätigkeit entsteht aus Verletzung und Verletzung aus Wohltätigkeit.

Die genaue Untersuchung der Wissenschaft von Himmel und Erde reicht aus, um ein Wissen über Höhe und Tiefe zu vermitteln. Die genaue Untersuchung der Wissenschaft der Jahreszeiten und der Dinge reicht aus, um ein Wissen darüber zu vermitteln, was Subtil und Diminutiv ist. Während andere ihre Forschungen immer in der Ferne verfolgen, verfolge ich meine inmitten der Nähe. Dies ist völlig ausreichend, da das Nahe die notwendige Bedingung des Fernen ist. Daher halte ich diejenigen, die andere weise nennen, für dumm. In Fällen, in denen der äußerste Gipfel aller Lehre erreicht wurde, sollten die Beinamen „weise“ und „dumm“ beide abgesagt werden. So gibt es unter den Menschen solche, die nach Dummheit verlangen, und solche, die nach Weisheit streben; aber ich verfolge weder das eine, noch suche ich das andere. Da ich weder in Dummheit noch in Weisheit verweile, verweile ich auch nicht in bloßer Erleuchtung [oder Klugheit]. Der Ort, an dem sich mein Körper wohlfühlt, liegt außerhalb von Dummheit und Weisheit; Es ist in [der Betrachtung von] Zeiten und Dingen, dass ich die Mysterien des Erhabenen durchdringe. Wie kann ich dann den Triebkräften entgegenwirken, die in der Welt um mich herum existieren? Lassen Sie die äußere Manifestation [von Weisheit und Dummheit] einmal gesehen werden, und die Verletzung, die beiden innewohnt, wird erfahren werden. Der eine wird die Menschen ins Wasser stürzen und der andere sie ins Feuer werfen, so dass sie in jedem Fall ein vorzeitiges Ende finden werden.

Die Spontaneität handelt, handelt aber nicht; ihre Kraft oder ihr Einfluss ist stumm. Wenn wir das Wachstum der Vegetation beobachten, sehen wir, dass der Prozess heimlich mitten in der Nacht stattfindet; Als wir am nächsten Tag aufstehen, stellen wir plötzlich fest, dass es eine Vergrößerung gibt. Daran kann man erkennen, dass die Dinge aus der Stille geboren werden, deren Bestätigung in der Stille der Nacht zu finden ist. Aber es gibt auch Stille, die zum Tag gehört; und die Natur dieser Stille ist höchst verborgen. Doch wenn man seine Größe untersucht, welche Rolle spielt es nicht bei der Entstehung von Himmel und Erde? Das Prinzip von Himmel und Erde wirkt schrittweise; damit Yin und Yang reichlich gedeihen. Wenn sich Yin und Yang abwechseln, fließen die Transmutationen des Universums reibungslos weiter; Aus diesem Grund weiß der Weise, dass dem Gesetz der Spontaneität nicht widersprochen werden darf, und so kontrolliert er es [mit sanften Mitteln].“

Aus diesen Textteilen ergibt sich eindeutig das polare Grundprinzip aller Existenzen.

Sie sind beschränkt in ihrer Zeit, nehmen zu durch Raub von aussen und verschwinden nach einer kurzen Zeitspanne indem ihre Verluste dem Aufbau neuer Existenzen dienen.

Auch Tschuangtse hat diesen alten Text im Hinterkopf wenn er folgendes sagt:

Jede Ursache hat ihre Wirkung

Wenn Heilige geboren werden so erheben sich die grossen Räuber.

Macht man Scheffel und Eimer, das die Leute damit messen, so macht man gleichzeitig mit diesen Scheffeln und Eimern die Leute zu Dieben.

Macht man Siegel und Stempel, das die Leute Urkunden bekommen, so macht man gleichzeitig mit Siegeln und Stempeln sie zu Dieben.

Wenn einer eine Spange stielt, so wird er hingerichtet. Wenn einer ein Reich stiehlt so wird er Landesfürst.

Darum verbrennt die Stempel und zerstört die Siegel, und die Leute werden einfältig und ehrlich!

Vernichtet die Scheffel und zerbrecht die Waagen, und die Leute hören auf zu streiten.

Wenn erst einmal die ganze Kultur auf Erden ausgerottet ist, dann erst kann man mit den Leuten vernünftig reden.“

Das wahre Buch vom südlichen Blütenland

Auch hier taucht wieder der Aspekt des Räubers auf, übertragend gemeint, – umso moralisch „besser“ die Menschen werden, umsomehr sie durch Regeln ihr Zusammenleben kanalisieren und einschränken umso mehr wird auch die Gegenseite, die Banditen, Räuber sich entwickeln indem sie immer wieder neue Lücken in der angeblich perfekt geregelten menschlichen Gesellschaft finden und ausnutzen. Deshalb hier der etwas Rousseausche Ansatz.

Des weitern bemerkt er lakonisch zum ewigen Kreislauf des Lebens:

Tao ist ohne Anfang und ohne Ende, die Dinge leben und vergehen.“

VI, 13r Tsch iu schuj

Anfang und Ende lösen sich ab ohne Ausgangspunkt, wenn dieses nicht so sein sollte, wer ist es der alles leitet?“

VIOI, 20v Tien Tse fang

Es ist fast eine zynische Frage die er mit dem letzten Zitat aufwirft, wenn man das logische Prinzip des ewigen Wandels nicht erkennt und an einen Schöpfer glaubt, wie liesse sich da dessen Motivation erklären.

Eine interessante Person ist Yang Tschu (gelebt um 300 v.C.) eigentlich einer der Ersten der aufgrund seiner etwas pessimistischen Haltung in Bezug auf den Kosmos ebenfalls den ewigen Wandel und die Wiederholungen annimmt und als frühester Vorbereiter anarchistischer Gedanken1 zu gelten hat.

Durch Strafen und Belohnungen werden die Menschen gehemmt und angefeuert, durch Ruhm und Gesetze angetrieben und zurückgehalten, so das sie in beständiger Erregung sind. Indem sie sich um den eitlen Ruhm einer Stunde abmühen und für den Glanz, der ihren Tod überdauern soll, Sorge tragen, gehen sie einsam ihres Weges. Dabei aber verlieren sie die glücklichsten Augenblicke der Gegenwart und vermögen sich nicht einmal eine Stunde frei ihren Gefühlen hinzugeben. Wie unterscheiden sie sich von kettenbeladenen Sträflingen?“

Lieh -tse VII,1v

Auf die Frage seines Schülers Meng Sun Yang, ob die Menschen durch Pflege ihres Körpers Unsterblichkeit oder wenigstens eine Verlängerung ihres Lebens erlangen könnten, antwortet der Philosoph, dass man nach den Naturgesetzen den Tod nicht entgehen und das Leben auch nicht verlängern könne. Eine Verlängerung sei nicht einmal wünschenswert, denn, da sich alles im Leben wiederhole, so würde man schon nach 100 Jahren mehr als genug davon haben und nicht noch nach mehr verlangen.“

Forke, alte chinesische Philosophie S. 363

Nachdem du einmal ins Leben gelangt bist, achte es gering und ertrage es, prüfe seine Wünsche und erwarte so den Tod, und, sobald der Tod kommt, achte ihn gering und ertrage ihn, prüfe wohin er dich führt, und überlasse dich der Vernichtung. Wenn du Leben und Tod gering achtest und sie erträgst, brauchst du dich nicht wegen des früheren oder späteren Eintritts des Endes zu sorgen.“

Lieh -tse VII,7r

Hier ist der kleine Hinweis nicht zu übersehen: prüfe wohin der Tod dich führt, eine vorsichtige Anspielung auf den ewigen Wandel, das heisst der Tod bedeutet Vernichtung deiner kurzen individuellen Zeitspanne, führt dann aber eventuell weiter zu neuen Existenzen, Formen.

Es ist ein gewisser Nihilismus der das Denken von Yang Tschu durchzieht, ohne in Verzweiflung zu münden aktzeptiert er den Formenwandel und kann somit auch das eigene kurze Leben im Gesamtwandel gelassen betrachten.

Recht und Moral sind etwas Äusserliches, womit sich ein Staat höchstens eine Zeitlang regieren lässt, aber sie stehen im Gegensatz zu den inneren Gesetzen der Persönlichkeit, die darunter leidet, daher fort mit diesen äusseren Eingriffen in die Menschennatur.“

Lieh -tse VII,5r

Vier Chimären sind es denen die Menschen nachjagen und sie nicht zum ruhigen Lebensgenuss kommen lassen: das Verlangen nach langem Leben, nach Ruhm, Ehre und Reichtum.“

Lieh -tse VII,10r

Der Mensch ist nur ein Teil des Universums. Nichts in der Welt gehört ihm, nicht einmal sein eigener Körper. Was er sich unrechtmäßiger Weise aneignet, besitzt er nur kurze Zeit, denn bei seinem Tode fällt alles wieder an das All zurück.“

Lieh -tse VII,9v

Auch hier fällt wieder die Ähnlichkeit mit dem Satz des Anaximander ins Auge.

All diese grundlegenden Überlegungen beginnen dann später, besonders bei Hui Schi (Hui Shi), sich in erkenntniskritische Sophismen aufzulösen, welche darauf abzielen überhaupt die von uns wahrgenommene Welt als nichtreal einzustufen, als reine Vorstellung oder wie oben schon Yang Tschu andeutet, – Chimären.

Die Sonne geht unter, wenn sie im Zenith steht, und Geschöpfe sterben wenn sie geboren werden.“

Hui-tse Nr. IV

Das Allergrößte, welches nichts mehr außer sich hat, nenne ich die große Einheit und das aller Kleinste, welches nichts mehr in sich hat, nenne ich die kleine Einheit.“

Hui-tse Nr. I

„Was keine Ausdehnung hat, kann nicht aufgehäuft werden, und doch misst es 1000 Li.“

(1000 Li umgerechnet heute etwa 500 km)

Hui-tse Nr. II

Vielleicht noch zu erwähnen wäre Lü Pu – Wei, welcher ganz taoistisch die Hingabe an den ewigen Wandel etwas mystisch ausspricht:

„Durch Sinnen schädigt man sein Geist, und wenn man die Unterschiede erforscht, richtet man sich selbst zugrunde. Durch Anstrengung und Leistungen macht man sich unglücklich, und durch vieles Anordnen wird man selber verrückt. Der erhabene Geist bewegt sich frei und sorglos umher, und plötzlich sieht man ihn nicht mehr.“

Lü-schi tsch un – tch iu XVII, 4r

Dazu kann man sich den Ausspruch von Nietzsches letzten Notizen vor der Umnachtung merken:

Man geht zu Grunde, wenn man immer zu den Gründen geht.“

NF-1888,20[73]

Himmel und Erde sind wie ein Wagenrad.“

Lü-schi tsch un – tch iu V, 3v

Dazu bemerkt Forke:

Die Welt dreht sich im Kreise, dieselben Zustände wiederholen sich periodenweise, auf das Ende folgt wieder der Anfang.“

Forke, alte chinesische Philosophie S. 545

Tchia I um 150 v. C. Angelehnt an die alten taoistischen Philosophen umschreibt den ewigen Wandel sehr anschaulich:

Himmel und Erde sind wie ein Schmelzofen, die Naturkraft ist der Meister, Yin und Yang sind die Kohlen, und die Geschöpfe sind das Erz. Bald fließt es zusammen, bald wieder auseinander, bald ist es in Bewegung, bald in Ruhe. Es gibt dafür keine festen Gesetze, und für die tausend Veränderungen und Myriaden Wandlungen besteht keine feste Norm.“

„Plötzlich entsteht ein Mensch, warum darüber frohlocken? Er verwandelt sich wieder in ein anderes Wesen weshalb sich darüber betrüben?“

Tsch u tse VIII,9a

Bezüglich der Charakterisierung des Tao, des Prinzip allen Wandels merkt Huai nan tse (ebenso um 150 v. C. gelebt) sehr sophistisch an:

Wer kennt die Formlosigkeit der Form.“

Huai nan tse I,3a

Was die Position des Menschen im Kosmos betrifft sagt er:

Alle Dinge sind ihrem Ursprung nach gleich, es gibt nichts Gutes und nichts Schlechtes. Die Veränderungen und das werden entstehen aus dem ursprünglichen Glanze, und das Leben ist wie der Tod. Ich besitze die Welt und die Welt besitzt auch mich. Sollte zwischen der Welt und mir ein Unterschied bestehen? Wenn ich mich selbst besitze, dann besitzt mich auch die Welt, und wenn wir uns gegenseitig besitzen, so wird unser gegenseitiger Besitz dauernd sein, denn weshalb sollten wir den Unterschied nicht ertragen können? Was ich denn selbst Besitz nenne ist die vollständige Erhaltung der Persönlichkeit. Wenn man seine Persönlichkeit erhält, ist man eins mit Tao.“

Huai nan tse I,16b

dazu ergänzend:

“Wer zu seiner Natur zurückkehrt, weiß, dass er selbst Tao, also ewig ist.”
Huai nan tse X,15a

“Tao ist wie ein Weg oder ein Fluss, welche von zahllosen Wagen und Schiffen Tag und Nacht ohne Unterlass befahren werden.”

Yang Hsiung, Fa yen III,1b

Es ist sozusagen der andauernde nie enden wollende Verkehr der Formen.

“Der Geist, sprach er wohnt im Körper, wie das Feuer in einer Kerze brennt.”
Huan Tan,Fragm. XIV,6b

Ein Einwand gegen die Idee der Geist wäre stärker und beständiger als der Körper, nein hier heist es der Geist vergeht mit dem Körper.

Forke sagt in seinem Buch mittelalterliche chinesische Philosophie über Wang Chung das er einer der größten chinesischen Skeptiker sei, dabei dürfe man freilich nicht an die griechischen Skeptiker denken welche die Möglichkeit der Erkenntnis überhaupt bezweifelt haben. Zu einem solchen Erkenntnisstand ist kein chinesischer Philosoph gelangt.

Wang Chung ist der größte Kritiker einer Schöpfungstheorie die etwas umständlich und kompliziert in die unendliche Zeitvorstellung der Chinesen Einzug gehalten hat.

Wang Fu (um 120 n. C.) erläutert diese seltsame chinesische Schöpfungstheorie anschaulich:

  1. In der allerältesten Zeit, als die großen Einheitlichkeit herrschte, war das Urfluidum dunkel und verborgen. Es gab noch keine Formen und Gestalten, die zahllosen Urstoffe war noch vereint und bildeten eine chaotische Einheit. Es gab keine Herrschaft und keine Leitung, und das dauerte eine unendliche Zeit. Dann kam ein Umschwung und eine spontane Wandlung das reine und das trübe trennten sich und verwandelten sich in Yin und Yang. Diese beiden waren stofflich und schufen die beiden Potenzen(Himmel und Erde). Aus dem schöpferischen Kräften von Himmel und Erde entwickelten sich die zehntausend Dinge. Das harmonische Fluidum brachte den Menschen hervor, damit er die obere Leitung übernehme.

Tch ein fu lun, VIII, 5b

Vor allem bezüglich des letzten Satzes ist Wang Chung hingegen ein konsequenter Gegner von der absurden Theorie das der Kosmos mit Absicht Dinge und Lebewesen zu bestimmten Zwecken geschaffen habe. Zudem gibt es nach der obigen Theorie überhaupt keinen Grund oder Anlass warum ein chaotischer Kosmos sich in einen geordneten verwandeln sollte, zumal wenn er als Chaos eine unendliche Zeit existierte. In folgenden Auszügen erklärt Wang Chung genau warum das so ist.

“Der Himmel hätte viel zu tun, wenn er alles selbst schaffen wollte. Er müsste tausend Hände haben.”
Lun heng,I,96


„Die Konfuzianer glauben, dass Himmel und Erde die Menschen mit Absicht geschaffen hätten. Das ist eine verkehrte Behauptung. Durch die Vereinigung der Fluida des Himmels und der Erde entstehen die Menschen zufällig und von selbst, ebenso wie, wenn Mann und Weib ihre Fluida vereinigen, von selbst Kinder geboren werden. Wenn Mann und Weib ihre Fluida vereinigen, so haben sie in dem Zeitpunkt nicht die Absicht Kinder zu erzeugen, aber sobald ihre Leidenschaft erregt ist und sie sich vereinigen, so gehen aus dieser Vereinigung Kinder hervor. Da also Mann und Frau nicht mit Absicht Kinder hervorbringen, so erkennen wir daraus, dass die hervorbringen von Menschen durch Himmel und Erde auch nicht beabsichtigt ist. Die Menschen werden vom Himmel und Erde geschaffen ebenso wie die Fische in einem Teich so Läuse auf den Menschen. Sie entstehen durch eine besondere Kraft in dem jede Gattung sich fortpflanzt das gilt für alle Wesen, welche zwischen Himmel und Erde entstehen.”
Lun heng,III,13a

Später (um 300 n. C.) greift Ko Hung nochmal diese Thema der Absichtslosigkeit des Weltgeschehens in einem anschaulichen Beispiel auf:

Wenngleich Himmel und Erde alle Dinge in sich schließen, so sind diese doch nicht von Himmel und Erde hervorgebracht, ebenso wie Bäume und Pflanzen auf Bergen und in Wäldern wachsen und blühen, ohne dass Berge und Wälder dies herbeiführen. Fische und Schildkröten entwickeln sich im Wasser und in Teichen, aber Wasser und Teiche entfalten keine darauf gerichtete Tätigkeit. Wenn gewöhnliche Menschen die Größe von Himmel und Erde sehen und daneben die Kleinheit aller Wesen, so sagen sie, dass Himmel und Erde Vater und Mutter aller Wesen seien, und betrachten diese als ihre Kinder und Nachkommen. Es kann eine Laus auf mir leben, aber habe ich sie hervorgebracht? Ohne mich würde sie nicht leben, trotzdem bin ich nicht ihr Vater oder ihre Mutter, und die Laus ist nicht mein Sohn oder Enkel.“

Nei p ein II,1b

“Einige meinen, dass der Himmel die fünf Feldfrüchte hervorbrächte, um die Menschen damit zu ernähren, und dass er Seide und Hanf hervorkommen lasse, um die Menschen damit zu kleiden. Das würde darauf hinauslaufen, dass der Himmel für die Menschen die Stelle eines Bauers oder einer Seidenzüchterin einnehme. Es würde mit der Spontanität nicht übereinstimmen. Daher ist diese Ansicht sehr bedenklich und unannehmbar.”
Lun heng,T. XVIII,1a

“Das himmlische Fluidum strömt aus und bringt die Wesen hervor, aber ohne Absicht.”
Lun heng,I,93

“Wenn der Himmel alle Geschöpfe mit Absicht erschüfe, dann müsste er darauf hinwirken, dass sie sich untereinander innig liebten, und er dürfte nicht zulassen, dass sie sich gegenseitig schädigen und vernichten. Darauf könnte jemand erwidern: der Himmel bringt die Wesen alle durch die Fluida der 5 Elemente hervor. Daher haben sie die Fluida der fünf Elemente in sich, es ist nun aber das Wesen dieser Elemente, dass sie sich gegenseitig bekämpfen und vernichten. Ich antworte: dann müsste der Himmel die Geschöpfe mit dem Fluidum eines einzigen Elements schaffen und ihnen die gegenseitige Zuneigung einpflanzen und nicht den Fluida der 5 Elemente gestatten dass sie sich bekämpfen und zerstören.”
Lun heng,III,14a

“Also, wenn der Himmel die Geschöpfe geschaffen hat und wünscht, dass sie füreinander von Nutzen sind, so ist das ohne gegenseitige Schädigung und Vernichtung nicht möglich. Aber der Himmel hat auch Tiger, Wölfe, Vipern, Schlangen, Wespen und Skorpione hervorgebracht, die alle den Menschen angreifen und verletzen, war es also seine Absicht, dass der Mensch ihren Zwecken dienen sollte?”
Lun heng,III,14b

Bei diesen obigen Zitaten von Wang Tschung ist deutlich zu sehen, das er den ewigen Formenwandel als Prinzip des Zufalls versteht, das heist Dinge entstehen, Lebewesen entstehen ohne Absicht sondern durch zufällige Konstellation der einzelnen Formen und Bestandteile. Logisch muss er dann auch jeglichen guten Lebenswandel ausschliessen, wenn der Träger meint damit ein langes glückliches Leben zu erreichen.

“In der Welt gibt es wenige gute und sehr viele schlechte Menschen. Die Guten handeln nach moralischen Grundsätzen, die Schlechten übertreten die Gebote des Himmels, aber das Leben der Bösen wird deswegen nicht verkürzt, die Lebensjahre der Guten werden nicht verlängert. Wie kommt es dass der Himmel nicht anordnet, dass die Guten immer ein Leben von 100 Jahren genießen sollen und dass die Bösen jung sterben infolge ihrer Schuld?”

Lun heng,T.VI,4r

Forke sagt in seinem Buch: Wang Tschung seinerseits nimmt an, dass von den Menschen manche von Haus aus gut, manche böse und wieder andere weder gut noch böse sein und erst nach der Erziehung einen bestimmten Typus annehmen.
S.128

“Der Himmel handelt nicht, und deswegen spricht er nicht. Die Katastrophen und Unglücksfälle, welche so häufig eintreten, sind von dem Fluidum von selbst hervorgebracht. Himmel und Erde können nicht handeln und können nicht wissen.”
Lun heng,XVIII,5b

Forke kommentiert das indem er sagt der Himmel ist nichts anderes als die gefühllose Natur, der Liebe und des Hasses des Zornes und des Mitleids unfähig und daher den menschlichen Geschicken gegenüber vollständig gleichgültig.

“Fortschritt und Gedeihen, sagt er, werde nicht durch Tüchtigkeit bewirkt, und ebensowenig lassen sich Rückschritt und Verfall als Misserfolg der Tüchtigkeit erklären. Fortschritt und Gedeihen, Rückschritt und Verfall hängen nur ab vom Himmel und von der Zeit.”
Lun heng,XVII,10a

Das ist in der Konsequenz aus dem vorher zitierten logisch, und einer der schärfsten Angriffe gegen die hegelianische Hybris einer zivilisatorischen Entwicklung hin zu einem „Weltgeist“ auf welcher Theorie bis heute alle Staatswesen gründen, ein fataler Irrtum, welcher die Menschen verwirrt und die Umgebung zerstört. Aber eben auch diese Situation ist nur eine von unzähligen im unendlichen Formenwandel, es gibt keinen Richter der zu entscheiden hätte ob etwas einen richtigen oder falschen Verlauf gehabt hat.

Der taoistische Begriff des Nichtsein bis hin zum absoluten Nichts welcher für den ewigen Formenwandel hier keine wesentliche Bedeutung hat wird berechtigterweise von P ei Wei (gelebt um 290 n. C.) im Bezug auf die logisch fragliche chinesische Schöpfungstheorie kritisiert:

Aus dem absoluten Nichts kann nichts entstehen. Was zuerst entstanden ist, entstand aus sich selbst, aber das aus sich selbst entstandene bedarf des Seins als seiner Substanz.

Wenn das Sein fehlt, kommt keine Schöpfung zustande. Das Werden betrachtet das Sein als seinen Teil. Daher ist das Leere und das Nichtsein das, was man als das Fehlen des Seins bezeichnet.

Da das Wachsen und die Entwicklung ein Vorhandensein des Wandels bedeuten so können sie nicht durch Untätigkeit zustande gebracht werden, und da Prinzipien ein Sein voraussetzen, so können sie nicht durch Nichthandeln zum Abschluss gelangen.

Tch üan Tchin wen, Fragmentensammlung Kap. 33 8b

Wichtig ist hier besonders der letzte Satz wo schon ziemlich deutlich ein ewiger Wandel in unendlicher Zeit als PRINZIP vor und zurück gedacht wird.

Meng Tching i (gelebt Ende des 5 Jhdts. n. C.) schreibt bezüglich der taoistischen Idee der Einheit im Bezug auf den in China damals bekannt werdenden Buddhismus:

Die Einheit ist das geheimnisvolle, Leere und Dunkle, das sich von allem, das Gestalt hat, unterscheidet. Seine durch geistige Kraft erfolgenden Umgestaltungen gehen fort ohne Aufhören und bringen die unzähligen Dinger vor ohne tätig zu sein.“

Nan Tchi schu Kap. 54 S. 10a

Ein Verteidiger des Buddhismus, Yen Tschi tui (gelebt Ende des 5 Jhdts. n. C.) welcher versucht die chinesischen Einwände gegen den Buddhismus zu widerlegen sagt auf folgende damals bekannte Argumentation:

Es hat keinen Sinn, sich für Karma abzumühen, denn ein Mensch in diesem Leben ist nicht mit einem Menschen in einem späteren Leben identisch und kann ihm weder nutzen noch schaden.

„Auch wenn der Körper stirbt, bleibt der Geist doch erhalten. Solange der Mensch am Leben ist, hofft er auf einen neuen Körper (Reinkarnation). Es scheint nur so, als hingen die Körper nicht zusammen, aber nach dem Tode verhält sich der spätere Körper zum früheren wie die Jugend zum Alter oder der Morgen zum Abend. Wenn es den Menschen schlecht geht, bedauern sie, dass sie in ihrem früheren Leben keine guten Taten getan haben. Man darf ihnen diesen Glauben und diesen Ort der Tätigkeit während einer früheren Existenz nicht rauben.“

Tchia hsün II, 9b

Liu Tschou um 550 n.C. gelebt, fasst die Frage der Polarität und des ewigen Wandels nochmal sehr schön zusammen:

Wenn Yang seinen Höhepunkt erreicht hat, kommt Ying herab, und wenn Ying seine höchste Vollendung erlangt hat, steigt Yang empor. Sobald die Sonne im Zenit angekommen ist, sinkt sie herab, und auf jeden Vollmond folgt der abnehmende Mond. Das ist der ewige Weg des Himmels. Nachdem die Kräfte konzentriert sind, nehmen sie wieder ab, und nachdem die Erzeugnisse gesammelt sind, werden sie wieder zerstreut. Auf die Blütezeit folgt der Verfall, und die höchste Freude verwandelt sich wieder in Trauer. Das ist das ewige Gesetz der Menschheit.“

Liu tse II,10a

Etwas fraglich ist der letzte Satz, als wenn es ein Prinzip für den Menschen nur sei, obwohl es das Prinzip des Himmels/Kosmos/Universums ist. Vielleicht meint er, das ist die menschliche Sichtweise als Betrachter.

Hui Yuan gelebt um 400 n.C. beschäftigt sich mit dem Gedanken der Unsterblichkeit als einer Seele/Geist, welcher anders als der Körper nicht vergeht:

Auf die These eines Gegners:

Das verliehene Fluidum erschöpft sich in einem Leben. Wenn das Leben zu Ende ist, zerfließt es und wird dem Nichts gleich. Der Geist ist wohl etwas wunderbares, aber doch das Produkt von Yin und Yang.

Durch einer Wandlung derselben entsteht das Leben, und eine weitere Wandlung führt den Tod herbei. Indem es sich zusammenballt, nimmt es seinen Anfang, und wenn es sich zerstreut, erreicht es sein Ende.

Verfolgt man diesen Gedanken weiter, so erkennt man, dass Körper und Geist die gleiche Wandlung durchmachen und nicht verschiedenen Gesetzen unterworfen sind. Gröber oder feiner, sind sie doch dasselbe Fluidum, und von Anfang bis Ende haben sie dieselbe Behausung. Solange diese intakt ist, hält das Fluidum zusammen und ist lebendig, wenn aber das Haus zerstört wird so zerstreut sich das Fluidum und das Licht erlischt, es gibt, was es empfangen hat, wieder an den großen Ursprung zurück, und wenn es vergeht, so geht es zum nichtsein zurück. Das Rückgeben, Zurückkehren und das schliessliche Ende ist ein natürlicher Vorgang, denn wer könnte es veranlassen?

Der Geist wohnt im Körper wie das Feuer im Holz, solange der Körper lebt, ist der Geist mit ihm vereint, wenn er zerstört wird, erlischt er sobald der Körper sich auflöst, zerstreut sich der Geist und hat kein Heim mehr, und sobald das Holz verfault, erlischt das Feuer und hat kein Substrat mehr. Das ist die Regel.“

Was ist der Geist? Es ist etwas ganz Zartes und belebt. Als etwas ganz Zartes hat es nicht das Verlangen, sich an eine Gestalt zu hängen. Das Feuer pflanzt sich auf Brennholz fort wie der Geist auf den Körper, und das Feuer geht auf anderes Brennholz über wie der Geist auf einem anderen Körper. Das frühere Brennholz ist nicht das spätere und der frühere Körper nicht der spätere.

…wissen wir, dass das geheime Karma schon in der Vergangenheit zusammengefügt ist, und das Erleuchtung und Verfinsterung sich erst bestimmen lassen, sobald der Körper erscheint.“

Hung ming tchi V,9a/b

Was er hier sagen möchte ist a) die Unvergänglichkeit des Geistes, welcher immer nur den verschiedensten Körpern anhaftet und b) das der ewige Wandel nicht im Geist sondern im Erscheinen (Entstehen und Vergehen) der jeweiligen Körper zu suchen sei.

Lo Tschün tschang um 500 n.C. welcher dem Buddhismus nahestand, sagt zur Wiedergeburt folgendes:

Gut gesagt haben frühere Gelehrte: was ist der Himmel? Ein Gesamtname für alle Dinge. Und was ist der Mensch? Ein Wesen innerhalb des Himmels.

Wenn wir danach unsere Betrachtung über die Gegenwart anstellen, so ergibt sich, dass die Dinge eine bestimmte Dauer haben, wohingegen Himmel und Erde ohne Ende sind.

Daher kann der Wechsel dessen, dass kein Ende hat nicht ursprünglich von den Dingen ausgehen. Wenn die Dinge nicht wiedergeboren würden dann würden Himmel und Erde ein Ende haben. Nimmt man an, dass Himmel und Erde kein Ende haben, so erkennt man dass ein Wiedergeborenwerden stattfindet.“

Die Einsichtigen setzen deswegen Tod und Leben gleich, und wenn sie sagen, dass Leben und Tod ein Wachen und ein Schlafen seien , so sprechen sie ein wahres Wort .“

Hung ming tchi VI,5b und 6a

Das erinnert an Nietzsche, wenn es ein Ziel gäbe so wäre es in der unendlichen Zeit, in der unendlichen Vergangenheit schon längst erreicht, und ein ewiger Wandel hat nur begrenzte Konstellationsmöglichkeiten der Dinge, deshalb ist die Wiederholung der Garant für die Ewigkeit.

Den Menschen als Produkt, Resultat der Verwesung schildert Han Yü um 800 n.C., allerdings auch reziprok den Menschen als Vernichter, ja auch als Umweltverderber:

Wenn Früchte, Getränke und Speisen verderben, so entstehen Würmer darin. Wenn das Blutfluidum des Menschen sich zersetzt und verstopft, so führt das zu Geschwüren, Geschwülsten und Hämorrhoiden, und es entstehen ebenfalls Würmer darin. Aus faulendem Holz kommen Holzwürmer hervor, und von verrotteten Pflanzen fliegen Leuchtfliegen auf. Verdanken sie ihre Entstehung nicht dem Zerfall? Wenn irgendetwas verdirbt, so entstehen Würmer daraus. Wenn das Urfluidum und Yin und Yang verderben, so wird der Mensch daraus geboren.

Sobald die Würmer hervor gekommen sind, zerfällt der Gegenstand nur umso schneller. Dadurch dass sie ihn zerfressen und durchlöchern, verderben sie ihn vollends. Wenn das Verderben soweit fortgeschritten ist, macht sich der um den Gegenstand verdient, der imstande ist die Würmer zu vertreiben. Wer ihre Zahl noch vermehrt, ist ein Feind des Gegenstands.

Der Mensch bringt dem Urfluidum und Yin und Yang ebenfalls im höchsten Grade Verderben, denn er zegräbt den Acker in der Ebene und fällt die Bäume auf den Bergen, er bohrt Quellen, um aus Brunnen zu trinken, und macht Gräber, um die Toten zu bestatten. Außerdem durchbohrt er den Erdboden, baut Deich an Wasserläufen, errichtet Mauern, Stadtwälle, Pavillons, Kioske, Aussichtstürme, leitet Flüsse, Gräben, Kanäle und künstliche Teiche ab, zündet Holz an und verbrennt es, schmilzt und gießt Metalle, brennt Ziegel und schleift Steine. Er quält sich ab und lässt die Dinge der Welt nicht leben, wie es ihnen gefällt. Ohne Recht dringt er gewaltsam vor, zerstört und vernichtet ohne Aufhören. Ist das Verderben, welches er aus dem Urfluidum, Yin und Yang bereitet, nicht schlimmer als das, welches die Würmer anrichten?“

Liu hsien scheng tchi B XVI 1 fg. Und Liu Meng te wen tchi B XII,15

Tschang Tschi ho welcher sich als Schriftsteller den Namen Hsüan tschen tse (Meister der geheimnisvollen Wahrheit) gegeben hat, beschreibt die Problematik des Wirklichen und Möglichen:

Wenn etwas ist, so heißt das nicht, dass es noch nicht nicht existiert hat, und wenn etwas nicht ist, dass es noch nicht existiert hat. Ferner, wenn etwas noch nicht nicht ist, so ist es und es ist zugleich nicht, und wenn etwas noch nicht ist, so ist es nicht und zugleich nicht nicht. Das ist das Ende des Seins und des Nichtseins. Wenn daher etwas, das jetzt ist, plötzlich nicht ist, so ist nicht etwa früher das Nichtsein noch nicht vorhanden gewesen, und wenn etwas, das jetzt nicht ist, plötzlich ist, so ist nicht etwa früher das Sein noch nicht nicht vorhanden gewesen. Der Unterschied liegt in der Zeit.“

Hsüan tschen tse S. 12b

Genau genommen will er sagen, alles was möglich ist wird und war in der Unendlichkeit der Zeit in Vergangenheit und Zukunft.

In Folge meditiert er noch weiter in einem fiktiven Gespräch zwischen Grosser Öde und Grenzenlos:

Die erschaffenen Dinge haben die mannigfachsten Gestalten. Wenn ich nach dem allerkleinsten und dem allergrößten, dem höchsten Sein und dem höchsten Nichtsein frage, würdest du mir Auskunft geben können? Grenzenlos antwortete: Nach meiner Ansicht ist das Allerkleinste groß und das Allergrößte klein, das höchste Nichtsein sein und das höchste Sein Nichtsein. Weißt du das?
Die große Öde erwiderte: Soweit ich erfahren habe, kann das Allerkleinste nicht groß das Allergrößte nicht klein das höchste Nichtsein nicht sein und das höchste Sein nicht Nichtsein sein. Was meinst du mit deinen Worten?
Grenzenlos antwortete: Ich will es dir gerne sagen: das Allerkleinste und das Allergrößte übertreffen nicht die Leere, das höchste Nichtsein und das höchste Sein gehen nicht über Tao hinaus. Wie kommt das?
Dasjenige, was Himmel und Erde umschließt und nach aussen über das Sein noch hinausgeht, ist die Leere. Ist dies also nicht das Allergrößte?
Wenn man noch das feinste Stäubchen zerteilt und bis in das Innerste vordringt, so trifft man auf die Leere. Ist also die Leere nicht das Allerkleinste? Dasjenige, was man nirgends entdecken kann, auch wenn man die sechs Himmelsrichtungen durchwandert, ist das nicht das höchste
Nichtsein Taos? Und dasjenige von dem man bei den erschaffenen dienen nicht loskommt auch wenn man sie davon loszulösen sucht, ist das nicht das höchste Nichtsein Taos? Daher sage ich: Das Allerkleinste ist groß und das Allergrößte klein. Das höchste Nichtsein ist Sein und das höchste Sein Nichtsein. Wie ist das nicht so?“

Über den Tod spricht er in ähnlichem Sinne:

Wenn der Mond die Sonne verdeckt, wird ihr Licht verdunkelt, sobald aber der Mond vorüber ist leuchtet die Sonne wieder. Wenn die Sonne dem Mond gegenübersteht, raubt sie ihm seinen Glanz, aber sobald sie diese Stellung aufgibt, leuchtet der Mond wieder. Ebenso tritt der Tod an die Stelle des Lebens, und die Seele verwandelt sich, aber sobald der Tod vorüber ist, kommt das Leben wieder. Wenn das Leben den Tod vergisst, dann weiß es, dass es etwas Leeres ist, wenn es ihn aber nicht vergisst, erst dann zeigt sich der Tod. Die Vereinigung bei einer Finsternis kann dem Sonnen und Mondkörper nicht schaden, und das Zusammentreffen von Leben und Tod kann den Geist des vollkommenen Menschen nicht verwandeln. Da ihr Körper nicht geschädigt wird, so sind Sonne und Mond nicht wegen einer Finsternis in Not, und da der Geist sich nicht verwandelt, so braucht sich der vollkommene Mensch wegen Leben und Tod nicht zu ängstigen.“

Hsüan tschen tse S. 2a,5a und12a

Über den unabdingbaren Kreislauf des Lebens und der Formen referiert T an Tch iao um 960 n.C. ganz im buddhistischen Sinne meint er es gäbe einen Ausweg daraus, was hingegen die meisten chinesischen Denker nicht so sehen:

Leben und sterben
Die Leere verwandelt sich in Geist, der Geist in Fluidum, das Fluidum in Blut, Blut in einem Körper, der Körper in ein Kind, das Kind in einen Knaben, der Knabe in einen Jüngling, der Jüngling in einen Mann, der Mann in einem Greis, der Greis in eine Leiche, die Leiche wieder in Leere. Diese Leere verwandelt sich wieder in Geist, dieser in Fluidum, dieses in ein Wesen, und so geht die Umwandlung fort, in einem nie endenden Kreislauf.
Die Wesen wünschen nicht geboren zu werden, aber sie können sich der Geburt nicht entziehen. Die Wesen wollen nicht sterben, aber sie kommen um den Tod nicht herum. Wenn man das leitende Prinzip als die Leere erkannt hat und es nährt, dann kann der Geist die Verwandlungen vermeiden und der Körper braucht nicht geboren zu werden.“

Hua schu I,8a

Etwas spitzfindig könnte man dem buddhistischen Schluss entgegnen, um das zu erkennen muss man geboren werden, und um nicht nochmal geboren zu werden, sterben, und das wünschen die Wesen aber nicht wie aus dem Vorhergesagten zu entnehmen ist.

Kuan Yin tse um 100 n.C. tendiert zur Vorstellung das die uns umgebende Welt und wir selbst nur Fiktionen sind :

Das was denkt, ist der Geist, aber das, womit er denkt, sind die Gedanken, nicht der Geist. Man weiß nicht weshalb es so ist, aber es ist so. Es gibt keinen Ort, woher sie kommen und wohin sie gehen. Deshalb hat der Geist denselben Urgrund wie Himmel und Erde, und es gibt für ihn keine Vergangenheit und keine Gegenwart.“

Kuan Yin tse V 12b

Also ein unendlicher Film in die Zukunft?

Ho Tsung mi um 820 n. C. eigentlich ein chinesisch buddhistischer Denker verneint die Karmaidee mit dem Einwand, das es schwer ist zu sagen, ob der Körper, der Geist oder beide zusammen das Karma schaffen, und wer dafür die Vergeltung erhält.

Nach dem Körper und Geist gestorben sind, können diese nicht mehr die Folgen ihrer Taten zu tragen haben. Sagt man, dass nach dem Tode ein neuer Körper und Geist entstanden, so können diese doch nicht für die Sünden eines anderen bestraft werden oder den Lohn seiner Tugenden empfangen.

Weder das Körperliche, noch das Geistige ist ewig, sondern hört auf wie kommt es dass sie immer wieder neu enstehen? Es muss ein etwas geben, das nie aufhört und das Leben immer wieder von neuem hervorruft.

1Als noch deutlicher sich äussernder Nachfolger kann man Pao Tching – yen (lebte um 290 n. C.) betrachten der den auch in China geläufigen absolutistischen Tendenzen eine klare Absage erteilt.

Die Konfuzianer behaupten, der Himmel habe das Volk geschaffen und Fürsten dafür eingesetzt. Wie wäre wohl der erlauchte Himmel speziell dafür eingetreten und hätte sein Wunsch zum Ausdruck gebracht? Da die Starken die Schwachen vergewaltigen, so unterwarfen sich diese ihnen, und da die Klugen die Iinfältigen betörten, so dienten sie ihnen. Aus dieser Unterwerfung entstand das Verhältnis von Fürst und Beamten, und infolge der Dienstverhältnisse wurde das schwache Volk beherrscht. Dass die Abhängigen Frondienste leisten mussten kam vom Streit zwischen Starken und Schwachen und von dem Gegensatz zwischen Klugen und Einfältigen. Der Himmel kann dabei gar nicht infrage.“ Wai p ein IV,22b

„Die Kostbarkeiten, welche die Fürsten sich zu verschaffen suchen, sind schwer zu erlangen. Sie sammeln seltene Dinge, lassen sich. Voller aber nutzlose Gegenstände anfertigen und quälen sich mit nie enden den Wünschen.“

ebenda 27a

„Kann es der Wille des Himmels sein, dass die Fürsten 3000 Palast Frauen haben? Weil sie Lebensmittel und Stoffe anhäufen muss das Volk hungern und frieren.“ ebenda 27b

Al – Maarri

Al Maarri ist gewissermassen ein mittelalterliches Bindeglied zwischen dem alten griechischen intuitiven Grundwissen und den neuzeitlichen Überlegungen welche seit 1800 wieder die Geister erregten, fernab von Religion und Macht!

Andererseits wohl einer der schärfsten Pessimisten, jenseits von Schopenhauer!

Die vegane Idee bei Maarri ist, in seiner auch von ihm selbst eigentlich gedanklich streng durchgezogenen Linie, schliesslich ein philosophischer Versuch seine Geburt rückgängig zu machen. Wenn wir uns aber nun zur persönlichen Lebenserhaltung, und der hat Maarri auch gefrönt, bekennen, dann wissen wir auch, das wir nicht nur wie Aasgeier totes Material verzehren können, sondern besonders angesichts der steigenden Erdbevölkerung, auf organische, lebende Pflanzen, die in ihrem Reifestadium abgeerntet werden, angewiesen sind. Wer aber hat das Recht, das Leben einer Pflanze geringer einzuschätzen als das Leben eines Tieres, vermutlich eben nur die Tiere. Kannibalismus wäre das finale Konzept zur Lösung aller Fragen, ohne die Umwelt im geringsten zu schädigen, na ja, die Tauben, Nuttenköter, Schmusekatzen etc. würden uns als würdige Tiere auf dem letzten Weg eine kurze Weile noch begleiten.

Hier eine Auswahl von Maarri Texten mit meinen entsprechend, teils philosophischen Kommentaren:

“Dies Leben, mein Freund, ist ein unverscharrter Kadaver, wie die Hundemeute, die ihn kläffend umzingelt:
Verlierer ist wer einen Fleischfetzen ergattert, Gewinner wer leer ausgeht bei dem Bankett; wen das Verhängnis nicht nächtens ansprang, der wird unfehlbar im Morgengrauen von einer Laune des Zufalls niedergemacht.”

Wer zuerst geht, bekommt kein Bauchweh. Strikte Leidvermeidung, – man kann es auch anders sehn, wenn man sowieso die Bühne und das Bankett verlassen muss, dann lieber mit vollem Bauch, – was Tradition bei der Henkersmahlzeit war. Deshalb kann man auch fleissig mitzechen beim Bankett, ohne grosse Erwartung, da sowohl der Asket als auch der Trinker gleichermassen hinweggerafft werden

“Tage sind die Nachkommen gleicher Eltern,
Nächte sind die Schwestern einer Familie:
Suche in deinen Tagen und Nächten nichts, was nicht schon vorzeiten war.”

Anspielung auf den Gedanken der EW im strikten linear unendlichen Sinne

“Ich sehe die Menschen in zweierlei Licht,
Vergangenheit und Zukunft;
und in zweierlei Zustand, Zeit und Ort.
Wenn wir wissen wollen was für eine Rechenschaft Gott über diese Absonderlichkeiten gibt,
erhalten wir eine ausweichende Antwort.”

Von hinten erklärt, scheint Gott es entweder nicht selbst zu wissen, oder will es uns nicht verraten. Heraklit, nie derselbe Fluss, die Frage nach dem nicht zu greifenden Moment

“Das Gefäss der Stunden bewahrt verborgene Geschicke,
deren Erscheinen die Mächte bestimmen, die sie bewachen.
Der Schöpfer, dessen Gedicht die Zeit ist, braucht sich darin
nicht auf abgegriffene Reime herauszureden.
So schwinden die Tage und Nächte
ohne Empfinden für ihre Eile und ihr Zögern oder was sie den Menschen bringen.”

Selbst der Schöpfer ist dem ewigen auf und ab der unendlichen Formenvielfalt nicht gewachsen, er klemmt fest im Getriebe des Gedichts und fabuliert von Ende oder Anfang

Man sagt, das die Seele so oft die Fähre vom Leichnam zum Kind nehmen muss, bis sie geläutert von jeder Überfahrt,
bereit ist für Gott.
Glaube nichts was man dir weismacht,
es sei denn, du kannst dich durch eigene Kenntnis für die Wahrheit verbürgen.

Anspielung auf Buddhismus, welchen er übrigens in seinen religiösen Urteilen ausgenommen hat. Erzählen kann man viel, prüfe es in deinem einen Leben.

Palmstämme, hochragend in die Wolken, sind doch nur Holz.
Bleib gelassen, bedenke, je öfter das indische Schwert geschärft wird, desto mehr braucht es sich auf.”

Hochhäuser an die Wolken kratzend sind doch nur Staub, je mehr man erreichen will, so schneller kommt man ans Ende!

“Das Ende zu dem wir geschaffen wurden, bleibt unklar:
Wir leben für eine flüchtige Weile,
bis die Abnutzung uns zermürbt hat.
Wir sind wie darbende Pferde, heftig mahlen ihre Kiefer,
bis die Backenzähne bluten von der Reibung.”

Eigentlich nicht, Leben zum Verenden, so siehts immer wieder von neuem aus!

“Du entrollst die Karte der Sterne, um die Knoten des Lebens zu lösen,
indes die fliehende Zeit dich antreibt.
Das Dasein ist nie verschwenderisch mit seinem Honig,
eh wir das Bittere gekostet mit dem Süssen.”

Innerhalb der Vergänglichkeit ist das Angenehme mitunter seltener als das Unangenehme.

In dies Haus des Unheils kam ich unter Zwang,
jetzt hab ich mich eingerichtet darin, will nicht woanders hin;
ich leide Qualen, der menschliche Wankelmut gibt keinen Halt.
Regenwolken, Todeswolken ziehn auf über Erdbewohner,
die wachsen wie wuchernde Pflanzen.
Der Mensch kämpft ums Überleben, sein Geist ist überzählig.”

Wenn die Erkenntnis kommt, werden wir von uns selber erdrückt.

Und abschliessend im Bezug zur aktuellen Klimadiskussion:

“Das der Regen die Menschen vom Gesicht der Erde fortschwemmte!
Solange Menschen auf ihr sind, ist ihr Gesicht beschmutzt:
Sie findet Reinheit erst an dem Tag wieder,
da ihre Horizonte nicht mehr bevölkert sind.”

Dschuang Dsi chinesischer Taoist gelebt zur Zeit Aristoteles in China.

Jede Ursache hat ihre Wirkung

Wenn Heilige geboren werden so erheben sich die grossen Räuber.

Macht man Scheffel und Eimer, das die Leute damit messen, so macht man gleichzeitig mit diesen Scheffeln und Eimern die Leute zu Dieben.

Macht man Siegel und Stempel, das die Leute Urkunden bekommen, so macht man gleichzeitig mit Siegeln und Stempeln sie zu Dieben.

Wenn einer eine Spange stielt, so wird er hingerichtet. Wenn einer ein Reich stiehlt so wird er Landesfürst.

Darum verbrennt die Stempel und zerstört die Siegel, und die Leute werden einfältig und ehrlich!

Vernichtet die Scheffel und zerbrecht die Waagen, und die Leute hören auf zu streiten.

Wenn erst einmal die ganze Kultur auf Erden ausgerottet ist, dann erst kann man mit den Leuten vernünftig reden.“

28824

28825
J.J. Rousseau (Diskurs über die Ungleichheit)

Die Metallurgie und der Ackerbau waren die beiden Künste, deren Erfindung diese grosse Revolution( Übergang vom Naturzustand in die Zivilisation) hervorbrachte, für den Dichter ist es das Gold und das Silber, für den Philosophen aber ist es das Eisen und das Getreide, das die Menschen zivilisiert und das Menschengeschlecht ins Verderben geführt hat…

Der Grund warum Europa konstanter und besser zivilisiert worden ist als andere Teile der Welt, besteht darin, das es gleichzeitig am reichsten an Eisen ist , und am fruchtbarsten, was das Getreide anbelangt.“

Vergleicht ohne Vorurteile den Zustand des bürgerlichen Menschen mit dem des wilden Menschen… wenn ihr die geistigen Qualen betrachtet, die uns verzehren, die heftigsten Leidenschaften die uns erschöpfen, die exzessiven Arbeiten, mit denen die Armen überlastet sind, die noch gefährlichere Weichlichkeit, der sich die Reichen hingeben, welche die einen an ihrer Not und Bedürftigkeit und die anderen an ihren Exzessen sterben lassen.

Wenn ihr an die monströsen Mischungen der Speisen denkt, an ihre schädlichen Würzungen, an die verdorbenen Lebensmittel, an die gefälschten Drogen .. „

Friedrich Nietzsche (aus Morgenröthe , Gedanken über die moralischen Vorurtheile 1881)

Gegen Rousseau. — Wenn es wahr ist, dass unsere Civilisation etwas Erbärmliches an sich hat: so habt ihr die Wahl, mit Rousseau weiterzuschliessen „diese erbärmliche Civilisation ist Schuld an unserer schlechten Moralität“ oder gegen Rousseau zurückzuschliessen „unsere gute Moralität ist Schuld an dieser Erbärmlichkeit der Civilisation. Unsere schwachen, unmännlichen gesellschaftlichen Begriffe von gut und böse und die ungeheuere Überherrschaft derselben über Leib und Seele haben alle Leiber und alle Seelen endlich schwach gemacht und die selbständigen, unabhängigen, unbefangenen Menschen, die Pfeiler einer starken Civilisation, zerbrochen: wo man der schlechten Moralität jetzt noch begegnet, da sieht man die letzten Trümmer dieser Pfeiler.“ So stehe denn Paradoxon gegen Paradoxon! Unmöglich kann hier die Wahrheit auf beiden Seiten sein: und ist sie überhaupt auf einer von beiden? Man prüfe.“

Marquis de Sade ( Justine 1797)

Das sollte die Hauptaufgabe der Philosophie sein: die Mittel und Wege zu erforschen, deren sich das Schicksal zur Erreichung seiner Ziele bedient. Daraus müsste sie dann Verhaltensmassregeln für den armseligen Zweifüssler, Mensch genannt, herleiten…

Wenn wir nun bei unseren Studien finden, das die Bösen für ihre Missetaten Lohn statt Strafe ernten, werden da nicht Menschen .. mit Recht schliessen, es sei besser sich dem Laster offen zu weihen, als ihm zu widerstreben.“

Nietzsche (Aus dem Nachlass und andere Nietzsche Texte )

Was mich am tiefsten beschäftigt hat, das ist in der That das Problem der décadence, — ich habe Gründe dazu gehabt. „Gut und Böse“ ist nur eine Spielart jenes Problems. Hat man sich für die Abzeichen des Niedergangs ein Auge gemacht, so versteht man auch die Moral, — man versteht, was sich unter ihren heiligsten Namen und Werthformeln versteckt: das verarmte Leben, der Wille zum Ende, die grosse Müdigkeit.“

Der Wohlstand, die Behaglichkeit, die den Sinnen Befriedigung schafft, wird jetzt begehrt, alles Welt will vor allem das, folglich wird sie einer geistigen Sklaverei entgegengehen, die noch nie da war.“

Die Conformität mit dem Gesetz gilt bereits als Ziel, als oberstes Ziel, – das Leben hat keine Probleme mehr.“

Heute wo der Staat einen unsinnig dicken Bauch hat gibt es in allen Feldern Fächern ausser den eigentlichen Arbeitern noch Vertreter…, gar nicht zu reden von den Politikern von Berufs wegen, welche sich wohl befinden und Nothstände vor einem Parlament mit starken Lungen vertreten“

(Denis de Rougemont)

Die Dekadenz beginnt, wenn die Menschen nicht mehr fragen: Was werden wir tun? Sondern: Was wird uns geschehen? Für Nationen, für politisches Handeln überhaupt, ist eine dekadente Einstellung tödlich.“

J.G. Ballard in Cocain Nights 1998:

„Vielleicht tritt unsere Fin-de-siècle-Dekadenz nicht in der Form schrankenloser Exzesse, sondern vielmehr als jener übersteigerte Puritanismus in Erscheinung, den wir bei den politisch Korrekten und in den verschiedenen moralischen Überzeugungen von Fitneß-Fanatikern, New Agern und Tierschützern erkennen.”