Tod und Leben eines Setra Busses

Die Erwerbung eines aufgegebenen Setra S80

Alles fing in meiner Jugendzeit an, als Schüler in der Eifel und vorher im Westerwald in den 70er und 80er Jahren gab es kleine Reiseunternehmen, welche mit verschiedenen alten Bussen uns ca. 20 km zur Schule fuhren.

Die Gemächlichkeit, Sanftheit und Laufruhe der Busse faszinierte mich, wenn auch mitunter bei manchen alten Bussen die Luftfederung ausgefallen war oder man von innen durch den Radkasten aufs Hinterrad gucken konnte.

Manchmal kam der Bus mit dampfendem Motor und zerrissenem Keilriemen an, das bedeutete oft schulfrei.

Die alten Wimpel und Aufkleber zeugten von weiten Reisen, nun geradezu degradiert, mussten die Busse ihren letzten Dienst im langweiligen Linienverkehr versehen.

Es schwang doch immer die Ferne mit, auch wenn ich nach 20 km aussteigen musste, blieb ein Teil von mir auf Reisen.

Mit 18 Jahren konnte ich dann selber fahren, wollte eigentlich einen VW Bus kaufen, das Geld hat aber nur für einen Fridolin VW gereicht.

Allmählich habe ich mich später „hochgearbeitet“ von einem Robur LO3000 als Wohnmobil zu einem LT Möbelkoffer, welchen ich ebenfalls zum Wohnmobil umgebaut habe.

Angesichts fortschreitendem Alters und drohender Wirtschafts- und Mineralölkrise, merkte ich, daß es Zeit wurde meinen Jugendtraum eines wirklichen Busses zu erfüllen und einen alten Reisebus als Wohnmobil mit 9 Sitzplätzen zu suchen.

Viele Stunden im Internet und zahlreiche Anrufe führten mich dann dazu, einen S80 kaufen zu wollen, wegen halbwegs moderatem Verbrauch, vernünftiger Höchstgeschwindigkeit (nicht nur 85 km/h) und relativ günstigen Anschaffungspreis.

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Einen S120 kannte ich noch aus der Schulzeit, gutes Fahrgefühl.

Längere Busse als S80 kamen eigentlich nicht in Frage, da ich diese hätte kaum auf meinen Hof in Lettland fahren können und sie auch sonst zum Suchen von „freien“ Campingplätzen zu unhandlich sind.

Ich fand einige Angebote, wovon einer bereits verkauft und der andere in Teile zerlegt war, dann glaubte ich im Ruhrgebiet ein geeignetes Fahrzeug gefunden zu haben und nach mehreren Telefonanrufen und Zusendung von Fotos der Roststellen entschied ich mich im Februar 2009 von Lettland nach Deutschland zu fliegen, um das Fahrzeug zu erwerben und zusammen mit meinem Freund mit roten Nummern erst einmal nach Braunschweig zu überführen.

Technisch wurde mir gesagt, das Fahrzeug ist fahrbereit, es hätte nur etwas störende Geräusche aufgrund des fehlenden Auspuffendrohrs.

Angekommen inspizierte ich den vorderen und mittleren Unterboden und den Motorbereich, letzterer trocken!!(für mich als alter Mercedessammler geradezu unglaublich!), der Unterboden erneuert, die Klappen und äusseren Radkästen aus nichtrostendem Blech bzw. Aluminium, es sah erst einmal alles ganz gut aus.

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Der Rahmen war weitgehend ok, nur die Verkleidung überspachtelt und völlig verrottet.

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Der erste Start- und Fahrversuch aber machte mir die wirkliche Problematik klar.

Auf 3 Zylindern nach einigen Umdrehungen gestartet und mit dem Resultat einer gigantischen Rauchbombe (was den Besitzer und Bewohner eines Reihenhauses dazu bewog mich aufzufordern, den Bus unverzüglich aus dem Gebiet zu entfernen) fuhr ich das Kerlchen zur Tankstelle, da die Anzeigen nicht so vertrauenswürdig waren, und hörte dabei vom Motor ein regelmässiges Piff-Piff.

Von wegen Endrohr, mit laufendem Motor an der Tankstelle hielt ich die Hand über die zwei Ventildeckel und dazwischen war es schön am puffen.

Dann ein paar Kilometer weiter, mittlerweile war auch der 4 Zylinder dazugekommen, begann es mit einem vom Puffen ins Knallen übergehenden Geräusch beim Gasgeben.

Der Besitzer, ein LKW Fahrer, hatte entweder gar keine Ahnung, oder eben aus dem Wissen um einen Zylinderkopfschaden das Projekt schon aufgegeben.

Auch das angebliche Splitgetriebe erwies sich als ein einfaches 5 Gang Getriebe, nur der Splitschalter war noch am Ganghebel.

So standen wir dann wieder beim Besitzer, der Kaufpreis betrug 2500 EUR und ich fragte mich selbst, hat so etwas Sinn, kann ich so ein Projekt schaffen?

Bremse, Lenkung und Federung waren okay, aber 400 km bis zum Hof meines Freundes in der Nähe von Braunschweig, kann man das mit so einem Zylinderkopfschaden fahren?

Auch zum erstenmal in einem richtigen Bus gesessen war die gefühlte Grösse doch eine ganz andere Dimension als Robur oder LT Wohnmobil.

Nach nochmaliger Preisdiskussion war 1500 EUR das letzte Wort des Besitzers, angesichts fast neuer Reifen und anderer möglicher Ausschlachtteile durchaus verständlich und fair.

Schliesslich warf ich eine Münze, Zahl=kaufen – Kopf=nicht kaufen.

Mit der Zahl wechselten schließlich 1500 EUR und ein Bus die Besitzer.

Noch am späten Abend machten wir uns auf den Rückweg, ich im Bus mit roten Nummern und mein Freund mit einem alten Mercedes 108 hinterher.

Schon nach 12 km gerader Strecke auf der Autobahn wollte ich mir Sorgen machen wegen des nun presslufthammerartigem Geräusches vom Motorraum, da ging plötzlich alles Licht aus und ich stoppte .

Beiden Batterien waren durch den morschen Batterieboden gefallen und wurden an den Kabeln hinter mir hergezogen.

Schnell haben eine Schranktür der Innenausstattung herausrausgerissen, ins Batteriefach geklemmt, die Batterien wieder hinein gebaut und dennoch ging nichts mehr, beide Batterien waren durch Umpolung unbrauchbar geworden. Also das Abschleppseil herbei, solange noch Druck auf der Bremsanlage war, und dann musste der alte 108 den Bus zum nächsten Rastplatz ziehen, wo ich die erste Nacht in meinem „Traumbus“ bei ca. -5 Grad im Februar verbrachte und mich fragte: „Was habe ich mir selbst da angetan?“

Am nächsten Morgen organisierten wir eine zweite gebrauchte Batterie und mit der Reservebatterie meines Freundes starteten wir erneut den Motor, welcher die ganze Raststättenumgebung in tiefen Nebel hüllte.

Und weiter ging die Fahrt nach Braunschweig auf der Autobahn, es galt Fahren bis zum Ende, entweder ankommen oder der Motor verreckt (Abschleppkosten hätten den Kaufpreis bestimmt übertroffen). Nach ca. 10 km hörte der Rauch plötzlich auf, der 5 Zylinder begann vermutlich auch mitzuspielen und der Presslufthammer im Motorraum war ohrenbetäubend und kaum auszuhalten ebenso wie der Gestank von teils unverbranntem Diesel.

Mit immerhin 80-90 km/h auf gerader Strecke bei ½ bis 2/3 Gas, auch berghoch gab ich kein Vollgas sondern krabbelte lieber mit 40 km/h dahin.

Nach ca. 150 km war mir klar, so ein Henschelmotor ist ein zäher Hund, der wird durchhalten. Bergab, wenn der Presslufthammer Pause hatte und ich vom Gas ging, stellte sich das erste zarte Busgefühl bei nur säuselnden Windgeräuschen ein.

Angekommen bei meinem Freund am nächsten Morgen, schoben wir sogleich die Köpfe unter den Motor und wie schon vermutet, die zwei Zylinderkopfdichtungen zwischen 3er und 2er Kopf wiesen eine 5cm Fehl/Austrittsstelle an der einen Seite und durch den Austrittsdruck eine ca. 2cm Fehlstelle an der gegenüberliegenden Zylinderkopfdichtung auf.

Durch hilfsbereiten, kameradschaftlichen und superschnellen Einsatz von Thorsten und seinen Kontakten zu anderen Mitgliedern des Setra-Veteranenclubs konnten wir schon nach zwei Tagen in Hannover die zwei neuen Kopfdichtungen bekommen (übrigens waren die kritischen Ränder noch mit einem Aluminiumblech verstärkt, was bei der alten Dichtung nicht war) und zusätzlich noch eine CD mit Auszügen aus dem Original Betriebshandbuch wegen der Einstellwerte etc.

Gleich eingebaut und mit Verwunderung über die 36nm Anzugskraft der Schrauben, weshalb wir extra einen speziellen LKW Drehmomentschlüssel suchen und uns ausleihen mussten, fuhr ich endlich nach Rostock und auf die Fähre nach Lettland.

Unterwegs stoppte mich noch die Polizei mit meinem Ausfuhrkennzeichen wegen der ziemlich schlechten äusseren Optik, nachdem ich aber Mutterdeutsch sprach und das Baujahr zeigte, verstanden sie, daß es sich im gewissen Sinne um ein Restaurierungsprojekt handelte. Später fiel noch der Auspufftopf herunter, blieb aber wenigstens an einer Halterung hängen.

Der nächste Monat war ausgefüllt mit Blecharbeiten.

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Mit einem Hartmetallbeitel löste ich die alten Bleche vom Rahmen und ersetzte sie durch angenietete nichtrostende Bleche. Es wurden div. andere Schweissarbeiten erledigt und den rudimentär angefangenen Innenausbau habe ich einfach und praktisch umgesetzt, sowie die fehlenden Sitze durch Sitze eines Scania Busses ersetzt.

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Immer auf der Gratwanderung zwischen Restauration und Improvisation konnte ich dann im Mai 2009 zu meiner ersten kurzen Probefahrt nach Estland starten, welche bis auf die Lichtmaschinenhalterungsfrage, bis heute noch ein immerwiederkehrendes Problem, zufriedenstellend verlief.

Auch der lettische TÜV, mittlerweile im Prüfstandard teils schon dem deutschen TÜV in Pingeligkeit überlegen, war recht überzeugt von meinem Bus, zwei Lager der unteren Radaufhängung waren zu wechseln, das war eigentlich schon alles.

Im Sommer 2009 startete ich dann mit meiner Familie die erste 1 ½ Monate lange grosse Reise von Lettland über Litauen, Polen, Ukraine, Rumänien, Bulgarien bis hin zur Türkei.

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Die Schwarzmeerküste und Mittelmeerküste entlang und zurück über Bulgarien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Österreich, Deutschland, Luxemburg, Belgien, Holland, Deutschland, Polen, Litauen und Lettland. Insgesamt über 12000 km fuhren wir, erlitten lediglich eine Reifenpanne und die Auspufftopfhalterung und Lichtmaschinenhalterung bildeten die einzigsten nicht ernstzunehmenden Probleme. Erstaunlich waren die Geländegängigkeit und der super Wendekreis, welche mich zu Plätzen an der Küste führten, wo andere mit PKWs versagt hätten.

Im Jahr 2010 habe ich im August mit einer estnischen Gruppe aus Tartu eine spontane 2 Wochen Fahrt Tartu-Thessaloniki, kombiniert mit dem Umzug einer Frau von Thessaloniki nach Tartu, durchgeführt. Mit 9 Personen und vollbeladen gab es bis auf den Totalverlust des altersschwachen Kühlers in Szeged(Ungarn) keine grösseren Probleme, also Fazit: ein alter Setrabus von 1974, günstig erworben für 1500 EUR und praktisch einfach improvisatorisch instandgesetzt für ca. 1000 EUR kann durchaus auch nach 36 Jahren noch vollwertige Reisedienste leisten.

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2014 allerdings wurde eine grosse Investition fällig, der alte Motor wollte aufgeben, also einen neuen Motor für 1000 EUR besorgt. Siehe dazu auch den Bericht über Marokko 2014.

3 comments

  • Fuhrmann Bernd Michael

    Klasse, ich habe deinen Bericht mit Spannung gelesen und festgestellt, es gibt noch andere Menschen, die noch viel “verrückter” sind als ich(im positiven Sinne). Neue Autos fahren kann schlieslich jeder. Mit meinem alten Bedford habe ich auch schon einiges erlebt, im Nachhinein muß ich sagen, es war das zuverlässigste Auto, was ich je hatte(13 Jahre gefahren und ich besitze ihn immer noch, auch wenn er jetzt erstmal Pause hat).
    Mit freundlichen Grüßen
    Michael

    • “Neues Autos fahren kann schliesslich jeder”,
      Eben – reine passive Kauf- und Konsumentenkultur heutzutage, mit Geld Lebensgefühl kaufen geht nie!

  • Michael Mertens

    Super Geschrieben, hätte ich auch sein können mit meinem 1979 MB LF8 409 Feuerwehr .Habe das Fahrzeug was 3 Jahre draußen Stand 400 Km mit fast der gleichen Probleme nach Hause gefahren 🤣

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